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Überlegungen zur Aussenhandelsfixierung der Schweiz

Die Schweiz ist sehr aussenhandelsfixiert. Aussenhandelsüberschüsse erfüllen viele offenbar mit Stolz: man fühlt sich gut, weil «man» konkurrenzfähig ist. Wirklich sinnvoll sind dauerhafte Aussenhandelsdefizite allerdings nicht: sie führen dazu, dass Geldmassen in spekulativen Höhen herumflottieren, investiert werden (um noch mehr Überschüsse zu produzieren) oder im Ausland investiert werden (was letztlich für die Investoren nur wieder Geld produziert). Dadurch gehen auch die Vermögens- und Einkommensscheren in der Schweiz auseinander. Ausgeglichene Handelsströme führten demgegenüber zu mehr Gütern und Dienstleistungen oder weniger letztlich sinnloser Arbeit in der Schweiz. Zudem wird durch Aussenhandelsüberschüsse der Bedarf an Fachkräften verschärft, was zu den bekannten Folgen (Druck auf Landschaft, auf Infrastrukturen, Wohnraum (s. Werner Vontobel, 19. März 2025, Mietmisere zeigt – wir haben das falsche Wirtschaftsmodell, https://makroskop.eu/11-2025/mietmisere-zeigt-wir-haben-das-falsche-wirtschaftsmodell/ oder in https://www.infosperber.ch/wirtschaft/mietmisere-zeigt-wir-haben-das-falsche-wirtschaftsmodell/, etc. ) führt, ohne dass ein entsprechender Zugewinn an wirklichem Wohlstand erfolgt.

Von Paul Ruppen

Es ist offensichtlich, dass Aussenhandelsüberschüsse mit entsprechenden Aussenhandelsdefiziten der Handelspartner einhergehen müssen. Auf die Dauer ist es nicht nachhaltig, wenn manche immer Überschüsse und manche immer Defizite produzieren. Ziel einer sinnvollen Handelsstrategie muss ein ausgeglichener Aussenhandel sein: mittelfristig sollten sich Defizite und Überschüsse ausgleichen. Stattdessen ist die Politik der Schweiz zulasten anderer Politikfelder allzu sehr auf die Beibehaltung von Aussenhandelsüberschüssen ausgerichtet: entsprechend macht man Bücklinge in alle Richtungen. Man biedert sich Trump, den Chinesen und der EU (Rahmenabkommen 2) an, und ist dazu im Falle der EU bereit, auf Demokratie im Inland zu verzichten. Das erklärt sich nur durch machtpolitische Ungleichgewichte in der Schweiz: obwohl der Binnenmarkt in der Schweiz weit mehr Arbeitsplätze schafft als die Exportindustrie, ist die Wirtschaftspolitik in der Schweiz vorrangig auf die Exportwirtschaft ausgerichtet.

Aussenhandelsstatistik der Schweiz

Ein Blick in die Aussenhandelsstatistik der Schweiz zeigt folgendes:

Jährliche Aussenhandelsergebnisse in Mrd. CHF

Jahr Exporte Importe Saldo
2012 201 177 24
2018 233 202 31
2019 242 205 37
2020 255 182 43
2021 260 201 58
2022 278 235 24


Jahresbericht Schweizer Aussenhandel 2022 (https://www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/themen/schweizerische-aussenhandelsstatistik/publikationen/jahresberichte.html)

Dies ergibt in zehn Jahren einen Aussenhandelsüberschuss von 236 Milliarden. Für diese Ausfuhren erhält man Geld, oft in Dollar, da Dollar die internationale Reserve- und Zahlungswährung ist. Die Dollars werden von den USA «gedruckt» (d.h. vor allem per Computer erzeugt) und die USA kaufen mit dem geschaffenen Geld Güter und Dienstleistungen. Mit den 236 Milliarden werden dann z.B. US-Anleihen gekauft oder das Geld wird in den USA investiert. So kaufte die Schweizerische Nationalbank in den letzten Jahren US-Anleihen von 30 bis 40 Milliarden Dollar pro Jahr, bisher insgesamt 300 Milliarden Dollar, was ca. 40 % der gesamten Währungsreserven der Schweiz entspricht. Die kumulierten Direktinvestitionen der Schweiz in den USA beliefen sich auf 300 Milliarden Dollar (2020). https://www.eda.admin.ch/countries/usa/de/home/vertretungen/botschaft-washington/aufgaben/wirtschaft-finanzen/swiss-direct-investment-in-the-united-states.html

Die Rolle des Dollars und Aussenhandelsdefizite der USA

Auf diesem Hintergrund zeigt sich auch, wie quer zu den Fakten die Aussagen Trumps liegen, US-Aussenhandelsdefizite würden eine Ausbeutung der USA darstellen. In der Tat profitieren die USA seit Jahrzehnten von der Rolle des Dollars als Reserve- und Rechnungswährung. Die US-Notenbank Fed schätzt, dass etwa 950 Milliarden Dollar ausserhalb der USA unterwegs sind, um vor Ort als Zahlungsmittel zu dienen. Weltweit stellen Exporteure ihre Rechnungen in Dollar aus. Die USA sind nur an 10 % der weltweiten Handelskontrakte beteiligt und doch werden 40 % des globalen Warenverkehrs in Dollar abgewickelt (Ulrike Herrmann, Trumps Rechenfehler, Le Monde diplomatique, April 2025, S. 11). Wer Dollar will, muss Güter oder Dienstleistungen in die USA verkaufen. Die USA können das Geld für den Kauf dieser Güter «drucken», d.h. das Gros aus dem Nichts per Computer schaffen. Sie können also Güter einführen, für die sie nicht arbeiten müssen. Dies führt dann zu den bekannten US-Aussenhandelsdefiziten der USA, die seit 1975 ohne Unterbruch jährlich angehäuft werden. Zudem profitieren die USA davon, dass die US-Aussenhandelsdefizite teilweise durch den Kauf von US-Staatsanleihen ausgeglichen werden. Die EU-Länder z.B. halten insgesamt für 1800 Milliarden US-Staatsanleihen. Die Zinsen dieser Bonds sind gewöhnlich tief: Die USA können sich also billig verschulden.

Die Rolle des Dollars hat für die USA allerdings auch Nachteile: Produkte, die man nicht selbst produziert, werden nicht im eigenen Land erzeugt: in den betroffenen Bereichen fehlen nachher Produktionskapazitäten und entsprechend spezialisierte Arbeitskräfte müssen anderswo Arbeit suchen (Probleme des Rustbelts!). Allerdings können die USA das Handelsdefizit nur reduzieren, wenn sie auf die Rolle des Dollars als dominante Währung verzichten.

Langfristig macht es allerdings keinen Sinn, den US-Amerikanern zu erlauben, auf Kosten des Restes der Welt zu leben. Von einer ausgeglichenen Handelsbilanz würden zudem auch manche Kreise in den USA profitieren. Deshalb unterstützen gewisse Gewerkschaften denn auch die unsinnige Zollpolitik Trumps. Es stellt sich die Frage, wie ein System aussehen könnte, das (1) es den Ländern erlaubt, eine eigenständige Wirtschaftspolitik mit Vollbeschäftigung zu verfolgen, (2) das mittelfristig und durchschnittlich zu Handelsbilanzgleichgewichten zwischen den Ländern führt und (3) das es Ländern aufzuholen erlaubt, die mehr materielle Entwicklung für eine gute Grundversorgung ihrer Einwohner benötigen.

Die Clearing-Union von Keynes

Bereits im Jahr 1944 wurde ein Konzept formuliert, das manche der obigen Ansprüche an ein besseres Währungssystem erfüllt (Die Ausführungen unter diesem Titel folgen Ausführungen von Beat Achermann im EM 2/96). Der Urheber dieses Planes war der britische Ökonom John Maynard Keynes (1980, Collected Papers, Bd. 25, London: Macmillan). Er stellte seine Ideen an der Bretton-Woods-Konferenz, an der die Währungsordnung der Nachkriegszeit beschlossen wurde, der internationalen Öffentlichkeit vor. Leider konnte sich sein Projekt gegenüber den amerikanischen Vorschlägen nicht durchsetzen, so dass die Nachkriegswelt mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorliebnehmen musste.

Keynes' Ideen sind bestechend einfach, wurden jedoch während langer Zeit vergessen. Aufgrund des Scheiterns der bekannten Währungssysteme leben Keynes' Vorschläge jedoch immer wieder auf. Im Zentrum steht die Schaffung einer neuen Währungseinheit, welche alle Währungen der Länder als internationales Zahlungs- und Reservemedium ablöst. Die neue Geldeinheit, zum Beispiel Bancor genannt, ist eine reine Verrechnungsgrösse und zirkuliert nur zwischen den Zentralbanken und der neu geschaffenen Internationalen Clearing-Union. Die Länderwährungen werden beibehalten. Bei Einführung des Bancor kann jedes Mitgliedsland den Wert seiner Landeswährung gegenüber dem Bancor frei festlegen. Nachher stehen die Wechselkurse jedoch fest, können aber je nach Bedarf (siehe unten) angepasst werden.

Der internationale Zahlungsverkehr wird neu geregelt. Zahlungsströme zwischen den Ländern laufen alle über die Zentralbanken, welche Forderung und Verpflichtungen an die Internationale Clearing-Union (ICU) melden. Diese verrechnet alle Forderungen und Verpflichtungen der Mitgliedsländer (sogenanntes Clearing) in Bancor. Die Saldopositionen der einzelnen Länder stellen dann Bancor-Guthaben (bei Überschussländern), welche die Funktion von internationalen Reserven übernehmen, oder Bancor-Schulden (bei Defizitländern) dar, die als Kredite der ICU an die Defizitländer zu verstehen sind.

Folgendes, rein fiktives Beispiel soll die theoretisch vielleicht schwierig zu verstehende Materie etwas erhellen. Teilnehmende Länder legen den Wert ihrer Währungen gegenüber dem Bancor fest. Portugal, Deutschland und Grossbritannien sollen als Beispiel dienen. Portugal (10 Esc = 1 Bancor), Deutschland (2 DM = 1 Bancor) und Grossbritannien (1 £ = 1 Bancor) bestimmen den Wert ihrer Landeswährungen zum Bancor, so dass folgende Wechselkursrelation entsteht: 10 Esc = 2 DM = 1 £ = 1 Bancor). Drei Transaktionen sollen untersucht werden: (1) Ein deutsches Auto im Wert von 10'000 DM wird nach Portugal exportiert. Der portugiesische Importeur muss aufgrund der Wechselkursrelation 50'000 Escudos bezahlen. Er tut dies bei seiner portugiesischen Geschäftsbank. Diese zahlt denselben Betrag an die portugiesische Zentralbank. Die Zentralbank meldet die Zahlungsverpflichtung von 50'000 Escudos der ICU, welche den Betrag von 5'000 Bancor der portugiesischen Zentralbank belastet und der Deutschen Bundesbank gutschreibt. Letztere überweist den Betrag von 10'000 DM an die Geschäftsbank des deutschen Autoexporteurs, der somit seine Zahlung erhält. Die Transaktion bewirkt, dass Portugal in den Büchern der ICU eine Belastung von 5'000 Bancor erhält, während Deutschland der gleiche Betrag gutgeschrieben wird (vgl. Kasten).

(2) Ein portugiesischer Weinexporteur liefert Wein im Wert von 10'000 Escudos nach Grossbritannien. Die Zahlung der Lieferung erfolgt analog zur 1. Transaktion. im Rahmen der ICU erhält Grossbritannien somit eine Lastschrift von 1'000 Bancor (1'000 £ = 10'000 Esc = 1'000 Bancor) und Portugal eine Gutschrift über dieselbe Summe (vgl. 2. Transaktion im Kasten).

(3) Grossbritannien exportiert Stahl für 2'000 £ nach Deutschland, womit die ICU Deutschland mit 2'000 Bancor belastet und Grossbritannien 2'000 Bancor gutschreibt (vgl. 3. Transaktion im Kasten).

1. Transaktion
Bilanz der ICU (in Bancor)
Portugal: 500 Deutschland: 500


2. Transaktion
Bilanz der ICU (in Bancor)
Grossbritannien: 1000 Portugal: 1000


3. Transaktion
Bilanz der ICU (in Bancor)
Deutschland: 2000 Grossbritannien: 2000


Ergebnis aller drei Transaktionen
Bilanz der ICU (in Bancor)
Portugal: 4000 Grossbritannien: 1000
Deutschland: 3000
Total: 4000 Total:: 4000


Um das Gesamtergebnis aller drei Transaktionen zu erhalten, muss die Verrechnung (Clearing) erfolgen. Die Saldopositionen der drei Länder sehen wie folgt aus: Portugal hat ein Handelsdefizit von 4'000 Bancor erzielt, währenddem Grossbritannien und Deutschland Überschüsse von 1'000 bzw. 3'000 Bancor erwirtschafteten. Es ist auch ersichtlich, dass Portugal sein Defizit durch einen Kredit der ICU finanziert, was nur aufgrund der Überschüsse der anderen beiden Länder möglich ist.

Entscheidend ist nun, wie der aussenwirtschaftliche Ausgleich der einzelnen Länder bewerkstelligt wird. Um die Nachfrage zwischen den drei Ländern zu stimulieren, muss darauf verzichtet werden, Portugal unter Rückzahlungsdruck zu setzen. Ein Land, das Schulden abzahlen muss, kann nicht mehr Güter und Dienstleistungen einkaufen, wodurch die internationale Nachfrage sinkt. Vielmehr müssen Deutschland und Grossbritannien dazu gebracht werden, ihre Überschüsse zu verwenden, indem sie Güter aus Portugal kaufen. Tun sie dies nicht, so sollten sie wenigstens Direktinvestitionen in Portugal tätigen, damit über langfristige Kapitalflüsse ein Ausgleich erfolgt. Erfolgt dies nicht, so kann die ICU die Guthaben von Grossbritannien und Deutschland streichen oder mit jährlichen, steigenden Strafzahlungen versehen, die an Portugal ausgezahlt werden, womit gleichzeitig Schulden von Portugal getilgt werden. Dieser Schritt stellt eine neue Form von Finanzausgleich oder Auslandhilfe dar.

Das dargestellte Währungssystem besitzt die positive Eigenschaft, die Beschäftigung zu fördern, indem Überschuss- und Defizitländer nicht zu einer restriktiven Wirtschaftspolitik gezwungen werden. Durch die Ausschaltung der Devisenmärkte mit ihren kurzfristigen Spekulationsbewegungen werden zudem stabile, geordnete Währungsverhältnisse geschaffen. Die Wechselkurse können nur unter Absprache zwischen der ICU und den betroffenen Ländern geändert werden. Dabei sollten die unterschiedlichen Inflationsraten als Richtschnur dienen, damit die Kaufkraftparität – die besagt, dass Wechselkursbewegungen dafür sorgen sollen, dass gleiche Güter in allen Ländern ungefähr gleich viel kosten – zum Tragen kommt.

Wird die ICU in einem Wirtschaftsraum eingeführt, so müssen die Währungsbeziehungen zu Drittländern geregelt werden. Am besten wäre wohl, wenn die Zahlungsströme zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern über die ICU laufen, welche die dafür notwendigen Devisen bereithalten soll. Aufgrund der vielen positiven Eigenschaften des Systems kann zudem erwartet werden, dass sich immer mehr Länder der ICU anschliessen, weshalb eine Expansion des Systems in weitere Teile der Welt nicht ausgeschlossen werden kann.

Aus technischer Sicht ist die Schaffung einer ICU problemlos zu bewerkstelligen, kennt man doch viele Clearing-Systeme im Zahlungsverkehr auf nationaler und internationaler Ebene, die hervorragend funktionieren. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die politische Einsicht wächst, dass nur durch eine fundamentale Neugestaltung der Währungsbeziehungen Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann.

Wie können ärmere Länder aufholen?

Das Modell von Keynes könnte zwei der oben erhobenen Forderungen erfüllen: (1) es erlaubt den Ländern, eine eigenständige Wirtschaftspolitik mit Vollbeschäftigung zu verfolgen, (2) es führt zu mittelfristig durchschnittlichen Handelsbilanzgleichgewichten zwischen den Ländern. Die Forderung (3), dass das Modell Ländern aufzuholen erlaubt, die mehr materielle Entwicklung brauchen, im Ihren Bewohnern eine gute Grundversorgung zu bieten, ist nicht unbedingt erfüllt. Dazu noch eine Zusatzüberlegung.

Internationaler Handel wird oft die Theorie des komparativen Kostenvorteils von Ricardo (David Ricardo, 1772 - 1823, britischer Wirtschaftswissenschaftler) begründet, die besagt, dass die Vorteilhaftigkeit des Handels zwischen zwei Ländern nicht von den absoluten Produktionskosten abhängt. Ein Land exportiert ein Produkt also nicht, weil die Produktion des Produktes im anderen Land teurer ist. Austausch erfolgt gemäss der Theorie der komparativen Kosten, wenn die Produktionskostenverhältnisse von zwei Produktion in den zwei Ländern umgekehrt sind: wenn die Produktion des Produkts A im Land X mehr kostet als die Produktion von Produkt B und im Land Y die Produktion von B mehr kostet als die Produktion von A, dann erfolgt Austausch. Die Gründe dafür können an einem Beispiel deutlich gemacht werden.

Beispiel

Gut Land A Land B
1 l Wein 3 Fr. 7 Fr.
1 m Tuch 5 Fr. 6 Fr.


Produziert Land A beide Güter selbst, kostet ihm das 8 Franken. Produziert Land B beide Güter selbst, kostet ihm das 13 Franken. Produziert Land A aber für beide Wein, kostet ihm das 6 Franken und produziert das Land B für beide Tuch, kostet ihm das 12 Franken. Damit können beide Länder Geld sparen, wenn sie das relativ günstigere Gut für beide produzieren. Land A spart 2 Franken, Land B 1 Franken. Zu beachten ist, dass die Produktion beider Güter im Land A günstiger wären!

Die Theorie der komparativen Kostenvorteile erklärt, wieso Handel in den Augen der Beteiligten von unmittelbarem Vorteil sein kann. Langfristig und volkswirtschaftlich sieht die Sache allerdings anders an. Die Produktion von Gütern erfordert jeweils andere Güter. Die Auswirkungen einer Produktion auf die restliche Volkswirtshaft eine Landes werden «Ringeffekte» (spin-off-effects) genannt (die hier geäusserte Kritik an der Idee, dass die Theorie der komparativen Kostenvorteile begründe, dass Freihandel automatisch im Interesse aller ist, wurde erstmals von Friedrich List, deutscher Volkswirtschaftler, 1789 – 1846, entwickelt und dann von Entwicklungstheoretikern und Friedensforschern in den 70er Jahren wieder aufgegriffen, z.B. von Dieter Senghaas (1977, Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik, Frankfurt am Main: Suhrkamp) . Die Produktion von Wein und die Produktion von Tuch haben unterschiedliche Ringeffekte. Wein schneidet diesbezüglich schlechter ab als die Tuchproduktion, besonders wenn verschiedene Güter, die für die Weinproduktion verwendet werden, (wegen komparativer Kostenvorteile) importiert werden (z.B. Maschinen) und dies bei der Tuchproduktion nicht der Fall ist. Vielfältige Ringeffekte haben zusätzlich auch gesellschaftspolitische Vorteile (z.B. das Bedürfnis nach gut ausgebildeten Arbeitskräften und guten Schulen; politische Auswirkungen gut ausgebildeter Fachkräfte, etc.).

Wünscht man einen Handel, der auf die Länder ähnliche Auswirkungen hat und damit langfristig eine weltweit ausgewogene Entwicklung erlaubt, so muss man bei einem Handelssystem die Ringeffekte der Produktion der ausgetauschten Produkte berücksichtigen und entsprechende Handlungsmöglichkeiten erlauben. Im oben entwickelten keynesschen System könnte man entsprechend z.B. einem Land Zölle für gewisse Produktegruppen erlauben, um Wirtschaftssektoren zu stärken. Solche Zölle müssten immer zeitlich begrenzt sein, wobei die Fristen von Anfang zu kommunizieren und dann auch einzuhalten sind. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Strafzahlungen (s.o.) z.B. ins Schulsystem und Fachkräfteausbildung schwächerer Länder fliessen könnten. Hier wäre sachgerechtes, ökonomisches Wissen gefragt, das z.B. Messmethoden für Ringeffekte entwickelt und angemessene Massnahmen vorschlägt.

Engagement für ein gerechteres Handelssystem statt Unterwürfigkeit

In der Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung vom 1999 steht so schön: «im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen»

Es ist auf Grund der obigen Ausführungen klar, dass die Politik der Handelsüberschüsse nicht in diesem Sinne ist. Sie gefährdet Demokratie und Unabhängigkeit (siehe Rahmenabkommen 2). Sie ist mit der restlichen Welt nicht solidarisch. Statt letztlich sinnlose Aussenhandelsüberschüsse mittels Unterwürfigkeit bezüglich der EU, Trump und China zu fördern, sollte die Schweiz auf ein gerechteres internationales Handelssystem drängen. Das wäre auch zum Nutzen der Schweiz: statt sinnlosem Wachstum, Druck auf die Landschaft, auf die Umwelt, den Wohnungsmarkt, statt Förderung des Dichtestresses – mehr realer Wohlstand. Zudem würde dadurch die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen durch einen schonenderen Umgang mit Landschaft, Natur und demokratischen Institutionen wahrgenommen.


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