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Kurzinfos Oktober 2022



„Willkommen in Guantanamo!“

Amnesty International erhebt zum wiederholten Mal schwere Vorwürfe wegen der brutalen Abwehr von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen – diesmal gegenüber Lettland. Wie die Menschenrechtsorganisation in einer Untersuchung berichtet, werden dort Flüchtlinge nicht nur völkerrechtswidrig pauschal zurückgeschoben – oft von vermummten, nicht gekennzeichneten „Kommandos“ unter Anwendung von brutaler Gewalt. Viele werden zudem in Zelten ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt interniert und dort mit Schlägen, Tritten und Elektroschockern malträtiert, die etwa auch gegen Genitalien eingesetzt werden – klare Folter, konstatiert Amnesty. Das lettische Vorgehen ähnelt damit demjenigen der litauischen und der polnischen Behörden stark, die Flüchtlinge mit nahezu identischen Methoden behandeln. Dabei gilt das alles lediglich für Flüchtlinge von außerhalb Europas, nicht jedoch für weiße Europäer aus der Ukraine, die in Lettland – wie auch in Litauen oder in Polen – angemessen empfangen werden. Mit Blick darauf stuft Amnesty die Repression der lettischen Grenzbehörden gegen nichtweiße Flüchtlinge aus außereuropäischen Staaten explizit als rassistisch ein.

Hilfe für weiße Europäer

In ihrem neu vorgelegten Bericht über den Umgang mit Flüchtlingen in Lettland zieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen recht naheliegenden Vergleich, der in Europa von offiziellen Stellen gerne beschwiegen wird, in den außereuropäischen Herkunftsländern von Flüchtlingen aber längst ins Allgemeinbewusstsein eingedrungen ist: den Vergleich mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Diese seien in der lettischen Hauptstadt Riga „mit warmem Essen, Kleidung und Unterkunft begrüßt worden, in geordnete Registrierungsverfahren geleitet oder in die Lage versetzt worden, sicher in andere Länder Europas weiterzureisen“, hält Amnesty fest.[1] Dies entspricht ganz dem Vorgehen anderer europäischer Staaten innerhalb und außerhalb der EU. Es belegt, dass auch in Europa eine angemessene Behandlung von Flüchtlingen nicht nur grundsätzlich möglich, sondern auch binnen kürzester Frist praktisch realisierbar ist. Lettland mit seinen kaum zwei Millionen Einwohnern habe es vermocht, innerhalb weniger Monate über 35.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen (Stand: 26. Juli 2022) und einer noch deutlich höheren Zahl den Transit in Richtung EU zu ermöglichen, konstatiert Amnesty. Die Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge sei in einem am 3. März 2022 beschlossenen Gesetz sogar explizit vorgeschrieben worden.

Abwehr nichtweißer Nichteuropäer

In krassem Kontrast dazu steht die brutale Abwehr von Flüchtlingen etwa aus Syrien oder dem Irak, die seit dem Sommer 2021 über Belarus in die EU einzureisen versuchten – nach Polen, Litauen oder eben auch Lettland. Amnesty nennt dazu Zahlen. Demnach sahen sich die lettischen Behörden in der Lage, zwischen August 2021 und dem 25. Mai 2022 exakt 156 Flüchtlinge von außerhalb Europas ins Land zu lassen – aus „humanitären Gründen“. 508 Flüchtlinge wurden zwischen August 2021 und April 2022 wegen – tatsächlichen oder angeblichen – illegalen Grenzübertritts festgenommen und interniert. Schon am 10. August 2021 hatte Riga den Notstand ausgerufen – aufgrund eines angeblich überwältigenden Andrangs von Flüchtlingen an der lettisch-belarussischen Grenze. Nach genauen Angaben befragt, gaben die lettischen Behörden an, von August 2021 bis zum 25. Mai 2022 habe man 6.676 Personen an der Grenze abweisen müssen; das wären wenig mehr als 20 pro Tag – ungewöhnlich wenig, um einen angeblichen Notstand zu begründen. Detaillierte Recherchen ergaben allerdings, dass die Behörden jeden Einreiseversuch mitzählten – auch diejenigen von Personen, die zum Teil mehr als zwanzigmal vergeblich ins Land zu gelangen suchten. Die tatsächliche Zahl der abgewiesenen Personen wird laut Amnesty auf vermutlich nicht mehr als 250 geschätzt.

Im Schnee

Der Notstand an der Grenze, den Riga am 10. August 2022 zum vierten Mal verlängert hat – er gilt nun vorerst bis zum 10. November 2022 –, ist insofern von Bedeutung, als er es den Grenzbehörden erlaubt, Einreisewillige pauschal über die Grenze zurückzuschieben und ihnen das Stellen eines Asylantrags zu verweigern; beides bricht offen das Völkerrecht. Tatsächlich drängen lettische Grenzbeamte und andere Repressionskräfte Flüchtlinge mit großer Konsequenz und regelmäßig auch mit brutaler Gewalt über die Grenze nach Belarus zurück. Dabei kommen auch bewaffnete Sondereinheiten zum Einsatz, die vollständig vermummt und in schwarzer Kleidung auftreten und deren genauer Status unklar ist. Sie sind offenkundig Teil der staatlichen Repressionsbehörden und unterstehen den Grenzbehörden, sind aber nicht weiter identifizierbar und werden allgemein „Kommandos“ genannt. Nach Angaben von Amnesty werden sie für die meisten Gewalttaten gegen Flüchtlinge an der Grenze verantwortlich gemacht. Sie sorgen zudem mit dafür, dass abgewiesene Flüchtlinge ohne die nötige Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten weitestgehend schutzlos in den Wäldern im Grenzgebiet dahinvegetieren müssen – bei jeglichem Wetter inklusive Regen, Kälte und Schnee.

Folter, Verschwindenlassen

Eine lettische Besonderheit scheint zu sein, dass Flüchtlinge immer wieder nicht in feste Gebäude, sondern in Zelte im Grenzgebiet gepfercht werden, in denen sie von bewaffnetem Personal festgehalten werden, das ihnen regelmäßig ihre Mobiltelefone wegnimmt; dadurch verlieren sie jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Die Zelte entsprechen nicht den dürftigsten sanitären Standards; Toiletten sind nicht vorhanden und werden durch simple Löcher im Boden neben den Zelten ersetzt. Flüchtlinge, die eine gewisse Zeit in den Zelten verbringen mussten, berichten von vollkommen unzureichender Nahrung und brutaler Gewalt. Demnach setzt das Wachpersonal – oft wohl die anonymen, vermummten „Kommandos“ – immer wieder Elektroschocker ein, die auf unterschiedlichste Körperteile gerichtet werden, darunter Genitalien. Auch von Schlägen und Tritten sowie allerlei Formen erniedrigender Gewalt ist die Rede. Amnesty stuft die Gewalttaten zumindest teilweise als offene Folter ein. Zudem urteilt die Menschenrechtsorganisation, wer Menschen in Zelte an unbekannten Orten festhalte und ihnen jegliche Möglichkeit raube, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, mache sich eventuell eines Verstoßes gegen die Verbote geheimer Internierung und erzwungenen Verschwindenlassens schuldig.

Tote an der Grenze

Die Zustände an der Außengrenze Lettlands entsprechen im Wesentlichen denjenigen an den Außengrenzen Litauens und Polens, an denen ebenfalls, scheinbar legitimiert durch die Ausrufung eines Notstandes, Flüchtlinge pauschal und unter Einsatz von Gewalt abgewiesen werden. Im Fall Litauens ist dokumentiert, dass Grenzbeamte Flüchtlinge in einen Grenzfluss trieben, in dem sie unter Lebensgefahr brusthohes Wasser durchqueren mussten.[2] Die litauischen Internierungslager für Flüchtlinge sind von Amnesty als „hochgradig militarisiert“ beschrieben worden; die Lebensbedingungen in ihnen kommen, urteilt die Organisation, „nach internationalem wie auch nach EU-Recht Folter und anderen Formen von Misshandlung gleich“. Proteste gegen die katastrophalen Verhältnisse wurden mit Tränengas niedergeschlagen.[3] Ähnlich ist die Lage in Polen, wo zeitweise bis zu 24 Flüchtlinge in acht Quadratmeter große Räume gepfercht wurden; einige, darunter Personen, die vor Folter in ihren Herkunftsstaaten geflohen waren, wurden mit dem Ruf „Willkommen in Guantanamo!“ begrüßt.[4] Nach Angaben einer polnischen Anwältin, die für die Helsinki Foundation for Human Rights in Warschau tätig ist, sind inzwischen nachweislich mindestens 20 Flüchtlinge im polnisch-belarussischen Grenzgebiet zu Tode gekommen, mutmaßlich sogar erheblich mehr.[5] Warm empfangen werden auch in Litauen und in Polen ausschließlich weiße Europäer aus der Ukraine.

Menschenrechte als Kampfinstrument

Wie üblich werden Folter, Verschwindenlassen und offener Rassismus an der Außengrenze der EU auch im Fall Lettlands von Brüssel gedeckt. Auf die Wahrung von Menschenrechten dringt die Union lediglich gegenüber Staaten, die sie dadurch aus politischen Motiven unter Druck setzen will. 13. Oktober 2022, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9051

Mehr zum Thema: "Willkommen in Guantanamo!" https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8959

[1] Zitate hier und im Folgenden: Amnesty International: Latvia: Return home or never leave the woods. Refugees and migrants arbitrarily detained, beaten and coerced into „voluntary” returns. London, October 2022.

[2] Amnesty International: Lithuania: Forced out or locked up. Refugees and migrants abused and abandoned. London, 27.06.2022.

[3] S. dazu „Willkommen in Guantanamo!” https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8959

[4] Amnesty International: Poland: Cruelty not compassion, at Europe’s other borders. London, 11.04.2022.

[5] Poland’s border wall hasn’t stopped the flow of migrants from Belarus. infomigrants.net 22.09.2022.


Vom Freihandel zum Krieg

Eine Folge des EU-Ukraine-Assoziationsabkommens: rasanter Ausverkauf der fruchtbaren ukrainischen Schwarzerdeböden an westliche Investoren Erstaunlich wenig wird über einen der zentralen Auslöser gesprochen, der den Konflikt in der Ukraine ab 2013/2014 eskalieren ließ: das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen. Eine Auswirkung des Abkommens zeigt sich derzeit besonders: Der Ausverkauf der fruchtbaren ukrainischen Schwarzerdeböden an westliche Investoren rauscht in die Höhe.

Die EU drängte auf dieses Abkommen, um die Ukraine wirtschaftlich und geopolitisch in den eigenen Vorhof hinüberzuziehen. Der „Spiegel“ fand dazu 2013 deutliche Worte: »Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. (…) Fast 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft, die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu ziehen. Es geht um Geopolitik, um das ›Grand Design‹, wie es die Experten gern nennen.« (Spiegel online, 26.11.2013). „Es geht um Geopolitik“

Das Assoziierungsabkommen spielte dafür eine entscheidende Rolle. Offiziell ging es darum, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft zu fördern, ohne den Staaten aber eine realistische Beitrittsperspektive zu eröffnen. Letztlich aber wird darauf hingearbeitet, die Nachbarländer in eine großeuropäische Wirtschaftszone einzubeziehen und neoliberale »Reformen« zu forcieren: „Was nicht gesagt wird, ist, dass das Hauptmotiv der wirtschaftlichen Integration darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, Ökonomien in die expandierende Wirtschaft des Imperiums (der EU) einzugliedern und Zugang zu natürlichen Ressourcen in der energiereichen Nachbarschaft zu erhalten. Die riesige Ansammlung von Wohlstand und wirtschaftlicher Macht der EU hat ihr einen Hebel gegeben, um marktfreundliche Reformen einschließlich Privatisierung, Handelsliberalisierung und die Übernahme der EU-Regulationsmechanismen durchzusetzen und gleichzeitig die weiterführenden Debatten in den peripheren Gesellschaften zu umgehen“ 1).

Neoliberalismus plus militärische Anbindung

Der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch verweigerte 2013 die Unterschrift unter das EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen. Die Bedenken waren nur zu berechtigt, dass die Ukraine mit diesem Abkommen ihre Neutralität zwischen Ost und West, die jahrzehntelang den Frieden gesichert hatte, verlieren und zum Spielball westlicher Konzerne werden würde. Denn dieses Assoziierungsabkommen sah die Verpflichtung auf eine „freie Marktwirtschaft“, die Abschaffung von Schutzzöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen, den Abbau staatlicher Subventionen sowie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs vor. Das gefährdete nicht nur den engen wirtschaftlichen Austausch mit Russland, das musste letztlich zur Deindustrialisierung der Ukraine führen, die hinsichtlich Produktivität nicht mit den westlichen Konzernen Schritt halten konnte.

Dieses Abkommen beinhaltete aber nicht nur die neoliberale ökonomische Unterordnung der Ukraine unter die EU, sondern auch die militärische Anbindung. So heißt es unter anderem:

• Die EU und die Ukraine „intensivieren ihre Kooperation und fördern die stufenweise Konvergenz auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik …insbesondere in Hinblick auf die wachsende Teilnahme der Ukraine an EU-geführten zivilen und militärischen Krisenmanagementoperationen“ (neudeutsch für Kriegseinsätze) sowie „wichtige Übungs- und Trainingsaktivitäten, einschließlich derjenigen, die im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgeführt werden.“ (Artikel 10) Unterm Strich bedeutet das die Einbindung in die EU-Schlachtgruppen („Battlegroups“).

• Auch rüstungsindustriell soll die Ukraine an- und eingebunden werden: „Die Ukraine und die Europäische Verteidigungsagentur werden enge Kontakte etablieren, um die Verbesserung der militärischen Kapazitäten zu diskutieren.“ (Artikel 10) Diese militär- und sicherheitspolitische Kooperation soll sich „bis in den Weltraum“ (Artikel 7) erstrecken.

• Als Ziel dieser militärischen Vereinbarungen des Assoziierungsabkommens wird die „immer tiefere Einbindung der Ukraine in die sicherheitspolitische Area der EU“ definiert (Artikel 4). „Lieferant billiger Rohstoffe und Arbeitskräfte“

Nachdem Janukowitsch zurückgetreten war, wurde umgehend eine neue westorientierte Regierung inthronisiert und das EU-Ukraine-Abkommen unterzeichnet. Es folgte eine Reihe neoliberaler Wirtschaftsreformen, die breite Teile der Bevölkerung verarmen ließen. Laut Angaben der Weltbank stieg die Zahl der Menschen in der Ukraine, die unterhalb der offiziellen Armutsschwelle leben, von 15 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2014 auf 25 Prozent im Jahr 2018. Das Gesundheitssystem kollabierte. Die Industrieproduktion ging dramatisch zurück. Der Handel mit Russland brach ein, jener mit der EU entwickelten sich in die prognostiziert asymmetrische Richtung. Joachim Becker, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien: „Die EU hat für die Ukraine offenbar eine Rolle als Lieferant billiger Rohstoffe (gerade auch im Agrarbereich) und billiger Arbeitskräfte vorgesehen.“ 4)

In diesem neoliberalen Assoziierungsabkommen liegen auch wichtige wirtschaftliche Gründe für die Abspaltung der Oblaste Donezk und Luhansk. Die in diesen östlichen Regionen konzentrierte Schwerindustrie wäre rasch unter die Räder des neoliberalen EU-Abkommens geraten. Westliche Konzerne hätten sich bestenfalls einzelne Filetstücke herausgepickt. Gerade die Gewerkschaften in diesen Regionen hatten sich gegen das Assoziierungsabkommen ausgesprochen.

Ausverkauf der fruchtbaren Schwarzerdeböden

Eine der größten wirtschaftlichen Schätze der Ukraine sind die fruchtbaren Schwarzerdeböden. Die Ukraine verfügt 32 Millionen Hektar Ackerboden bester Qualität; das entspricht einem Drittel der gesamten Ackerbaufläche der Europäischen Union. Darauf richteten sich die besonders begehrlichen Blicke von Investoren aus EU und USA. Doch die Ukraine hatte nach den katastrophalen Erfahrungen mit der Raubtierprivatisierung Anfang der 90er Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Handel mit landwirtschaftlichem Grund und Boden untersagt, da ein Ausverkauf an ausländische Konzerne befürchtet wurde. Das Assoziierungsabkommen mit der EU sah aber vor, dass die Ukraine ihre Landwirtschaft für ausländische Investitionen öffnen soll. Doch noch einige Jahre nach dem prowestlichen „Regime-Change“ wagten es die ukrainischen Regierungen nicht, das Verbot des Ausverkaufs von fruchtbarem Ackerboden anzutasten, da zwei Drittel der Bevölkerung dies ablehnten. Aber der Druck von EU und IWF wurde immer größer. Die 2019 gewählte Regierung Selenskyj erwies sich schließlich als willfährig. Im März 2020 beschloss das ukrainische Parlament, landwirtschaftlichen Boden zum Handelsgut zu machen und für Auslandskapital zu öffnen, das entsprechende Gesetz trat Anfang 2021 in Kraft.

Und tatsächlich rauschte ab 2021, insbesondere ab Beginn des russischen Einmarsches, der Ausverkauf von ukrainischem Ackerland an westliche Investoren rasant in die Höhe.

EU-Freihandelsabkommen als Einfallstor für Kriege

Ohne den russischen Einmarsch in der Ukraine damit im Geringsten zu rechtfertigen, ist es doch wichtig, einen Blick auf das gesamte Bild zu werfen: Die Politik der EU, die „Nachbarschaft“ in Osteuropa bzw. im Mittelmeerraum durch neoliberale Freihandels- und Assoziierungsabkommen an das imperiale Zentrum anzubinden, mündet immer wieder in Gewalt und Krieg. Jugoslawien geriet ins Fadenkreuz westlicher Strategien, als sich dessen Regierung Anfang der 90er Jahre weigerte, die neoliberalen „Strukturanpassungsprogramme“ des Internationalen Währungsfonds umzusetzen. Dasselbe widerfuhr Libyen, als sich Gaddafi einem Freihandelsabkommen mit der EU widersetzte; und Syrien wurde erst ab dem Zeitpunkt als „Schurkenstaat“ geächtet, nachdem ein entsprechendes Abkommen zwischen der EU und Syrien nicht zustande gekommen war.

Eine blutige Diktatur wie Ägypten, in der Folter und Hinrichtung von Oppositionellen auf der Tagesordnung stehen, braucht dagegen nichts zu fürchten. Denn mit Ägypten verhandelt die EU derzeit ein Freihandelsabkommen; die ägyptische Diktatur vergibt Großaufträge an westliche Unternehmen – erst vor kurzem ging ein 8-Milliarden-Auftrag Ägyptens an den deutschen Konzern Siemens, der größte Auftrag in der 175-jährigen Geschichte des Unternehmens. Solange solche Milliarden sprudeln, drücken auch grüne Minister wie Habeck und Baerbock alle Augen zu. https://www.solidarwerkstatt.at/arbeit-wirtschaft/vom-freihandel-zum-krieg. Gerald Oberansmayr, (Werkstatt-Blatt 3/2022, Oktober) Quellen

(1) Dimitrovova, Bogdana: Imperial re-bordering of Europe: the case of the European Neighbourhood, in: Cambridge Review of International Affairs, Nr. 2/2012, S. 249–267, S. 254.

(2) Oleh Tyahnybok meets with Germany's ambassador; en.svoboda.org.ua 29.04.2013

(4) Interview mit ao Univ.Prof.Dr. Joachim Becker, in: Werkstatt-Blatt 3. Juni .2014

Kasten:
Zwischen 1.1.2021 und Ende September 2022 wechselten 1,79 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche den Besitzer. Zwei Drittel davon – das sind 1,15 Millionen Hektar - gingen an ausländische Investoren. Das entspricht fast der gesamten Fläche des Bundeslandes Oberösterreich. So richtig explosionsartig entwickelte sich der Ausverkauf erst mit dem Krieg: 15% der Fläche wurde in den 14 Monaten zwischen Anfang 2021 und Februar 2022 ans Ausland verkauft. 85% in den sieben Monaten des Krieges seither (bis Ende September 2022). Über 85% der Auslandsunternehmen, die in der Ukraine Grund und Boden aufkaufen, haben ihren Sitz in der Europäischen Union, knapp 13% in den USA, ca. 2% entfallen auf den Rest der Welt. (Quelle: https://landmatrix.org)



Deutsch-Französische Freundschaft

Auf einem Krisentreffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Kanzler Olaf Scholz die seit geraumer Zeit anschwellenden deutsch-französischen Streitigkeiten lindern. Scholz soll in der französischen Hauptstadt mit Macron zusammentreffen – anstelle der ursprünglich geplanten Regierungskonsultationen, wegen zunehmender Konflikte zwischen den beiden Ländern kurzfristig abgesagt wurden. Streit herrscht zwischen Berlin und Paris unter anderem im Rüstungsbereich; so ist die Zukunft sowohl des Luftkampfsystems FCAS, des wichtigsten und teuersten Rüstungsprojekts in der EU, als auch des geplanten Kampfpanzers MGCS ungewiss. Beide gelten als deutsch-französische Vorhaben von zentraler Bedeutung. Streit gibt es zwischen Deutschland und Frankreich auch in Energiefragen – etwa bezüglich der MidCat-Pipeline, die Erdgas aus Spanien in Richtung Deutschland transportieren sollte, nun aber an französischen Widerständen gescheitert ist. Besonderen Unmut hat in Frankreich Berlins Alleingang mit dem 200-Milliarden-Euro-Schutzschirm („Doppelwumms“) ausgelöst.

Streit um den Kampfjet

Zu den nicht gelösten Konflikten zwischen Berlin und Paris gehört zunächst der Streit um das geplante Luftkampfsystem FCAS (Future Combat Air System), das aus einem Kampfjet der modernsten, sechsten Generation sowie begleitenden Kampfdrohnen und Drohnenschwärmen besteht. Es wird wohl rund 100 Milliarden Euro kosten, vielleicht sogar mehr, und es soll ab spätestens 2040 einsatzreif sein. Letzteres steht freilich mittlerweile in Frage. Gemeinsam bauen sollten das FCAS ursprünglich der französische Konzern Dassault sowie die in Deutschland ansässige Militärsparte von Airbus. Später hinzugekommen ist Indra Sistemas aus Spanien. Die Erweiterung hat dazu geführt, dass die Aufträge für Dassault und für Airbus Defence and Space schrumpfen, was vor allem bei Dassault heftigen Unmut hervorruft. Da bei dem Konzern die Auffassung herrscht, die französische Rüstungsindustrie könne das FCAS auch alleine bauen, steht bereits seit Monaten ein Scheitern des gesamten Projekts im Raum; die Verzögerungen sind mittlerweile erheblich.[1] Ähnliche Streitigkeiten gibt es auch um den Kampfpanzer der nächsten Generation (MGCS, Main Ground Combat System), ein weiteres deutsch-französisches Vorhaben, von dem gleichfalls ungewiss ist, ob es tatsächlich zustande kommt. Ein Scheitern eines oder beider Projekte wäre ein heftiger Schlag für die Pläne zur Stärkung der EU-Rüstungsindustrie.

Streit um die Luftabwehr

Streit gibt es auch um die Pläne zum Ausbau der europäischen Flug- und Raketenabwehr, die am 13. Oktober in der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für die European Sky Shield Initiative (ESSI) Gestalt annahmen. Beteiligt sind 15 Staaten Europas, darunter führend die Bundesrepublik Deutschland.[2] Beabsichtigt ist die gemeinsame Beschaffung dreier Systeme. Um für Schutz auf Entfernungen von bis zu 40 Kilometern zu sorgen, soll das von Diehl Defence (Überlingen) hergestellte Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM genutzt werden. Für größere Entfernungen ist das US-amerikanische Patriot-System vorgesehen, während ergänzend das israelische System Arrow 3 zum Einsatz kommen soll; es kann Ziele in rund 100 Kilometern Höhe und bis zu 2.400 Kilometern Entfernung bekämpfen und gilt als geeignet zur Abwehr von Atomangriffen. Nicht zum Zuge kommt bei der ESSI das französisch-italienische Abwehrsystem SAMP/T; damit gehen die Waffenschmieden Frankreichs sowie Italiens bei dem Projekt, in das erhebliche Summen fließen werden, mutmaßlich leer aus. Aus Protest gegen die Entscheidung nehmen sowohl Paris wie auch Rom bislang nicht an der ESSI teil. Insbesondere in Paris heißt es, es sei auf keinen Fall einzusehen, dass US-amerikanische und israelische Systeme für ein europäisches Projekt beschafft würden, französisch-italienische aber nicht.

Streit um die MidCat-Pipeline

Massive Konflikte bestehen darüber hinaus in Energiefragen. Einer betraf Überlegungen, die Arbeiten an der MidCat-Pipeline (Midi-Catalonia) aus der spanischen Region Katalonien nach Südfrankreich wieder aufzunehmen. MidCat sollte Erdgas aus Spanien und Portugal, die mit Pipelines aus Algerien und insgesamt sieben Flüssiggasterminals gut versorgt sind, weiter in Richtung Westen leiten und so den Mangel besonders in Deutschland lindern. Die Arbeiten an der Pipeline waren vor Jahren eingestellt worden – aus Kostengründen und weil die Leitung, so etwa in den französischen Pyrenäen, Naturschutz- wie auch Weinanbaugebiete gekreuzt und beschädigt hätte. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte Berlin sich mit voller Macht um die Wiederaufnahme der Pläne bemüht und dabei versucht, Spanien und Portugal gegen Frankreich auszuspielen; in Berlin war zuletzt ungewöhnlich viel von einer „deutsch-spanischen Freundschaft“ die Rede.[3] Die taktischen Manöver Berlins riefen in Paris ebenso heftigen Unmut hervor wie die Überzeugung, Deutschland dringe auf den Bau kostspieliger Infrastruktur für Erdgas, die sich entweder nicht rentieren oder die Nutzung fossiler Energieträger empfindlich verlängern werde.[4] Präsident Emmanuel Macron ließ sich nicht auf die Wiederaufnahme der MidCat-Pläne ein.

Streit um Erdgas

Stattdessen vereinbarten die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Spaniens und Portugals ein Ersatzprojekt: eine Pipeline, die aus Barcelona durch das Mittelmeer nach Marseille führen (BarMar) und möglicherweise zunächst Erdgas, auf lange Sicht aber vor allem grünen Wasserstoff transportieren soll. Der Bau der Leitung wird deutlich länger dauern als MidCat und wohl erst um 2030 abgeschlossen sein, sofern er wirklich zustande kommt. Vieles ist noch unklar: Ein konkreter Zeitplan liegt nicht vor; der Meeresboden zwischen Barcelona und Marseille gilt als ökologisch sehr sensibel; wie der grüne Wasserstoff in Spanien erzeugt werden soll, ist noch lange nicht abschließend geklärt.[5] Fest steht freilich, dass Deutschland nicht kurzfristig auf Lieferungen von Erdgas aus spanischen Flüssiggasterminals hoffen kann.

Streit um den „Doppelwumms“

Anhaltenden Unmut hat die Bundesregierung in Frankreich zudem mit der Ankündigung ihres 200 Milliarden Euro schweren Schutzschirms gegen die Folgen der dramatisch hohen Energiepreise („Doppelwumms“) ausgelöst. Berlin ist damit nicht nur ohne jegliche Abstimmung mit den anderen EU-Staaten vorgeprescht. Es bringt auch erheblich höhere Mittel auf, als die meisten von diesen aufzuwenden in der Lage sind, und es verschafft damit der deutschen Wirtschaft einen Vorteil gegenüber ihrer innereuropäischen Konkurrenz (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Dies stößt auch in Frankreich auf scharfe Kritik. „Wir warten darauf, dass klar wird, wie die 200 Milliarden Euro verwendet werden“, äußert der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire: „Auf jeden Fall müssen diese Pläne den gemeinsamen Binnenmarktregeln entsprechen, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.“[7] Pariser Regierungskreise wurden mit der Aussage zitiert, man wundere sich „über die Berliner Methode, Milliardenpläne zu verkünden“, ohne zugleich „zu erläutern, wofür die hohen Summen verwendet werden“ sollten; es wirke „so, als entscheide Deutschland für sich allein und mache sich nicht einmal die Mühe, die engsten Verbündeten in seine Pläne einzuweihen“.[8] Präsident Emmanuel Macron wurde sogar mit der offenen Warnung zitiert, es sei „weder für Deutschland noch für Europa gut“, dass Berlin „sich isoliert“.[9] 25. Oktober 2022, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9062

[1] S. dazu Streit um das Luftkampfsystem. https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9008

[2] Raketenschirm für Europa. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.10.2022.

[3] Staatsbankett zu Ehren des spanischen Königspaares. bundespraesident.de 17.10.2022.

[4] Christian Geinitz, Hans-Christian Rößler, Michaela Wiegel: Pipeline in ferner Zukunft. Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.10.2022.

[5] Davide Basso, Paul Messad: France trades MidCat pipeline for an already controversial new project. euractiv.com 21.10.2022.

[6] S. dazu „Doppelwumms” mit Folgen. https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9042

[7] Michaela Wiegel, Niklas Záboji: „Kritik an der französischen Atomkraft ist unangebracht“. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.10.2022.

[8], [9] Thomas Gutschker, Michaela Wiegel: Ist Scholz isoliert? Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.10.2022.


„Die Reihen schließen“

Die deutsche Spitzenpolitik kündigt an, „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung“ wieder militärische „Führungsmacht“ in Europa zu werden. Eine gefährliche Drohung.

Am 18. Juli 2022 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Gastbeitrag des deutschen Kanzlers Olaf Scholz mit dem Titel: „Nach der Zeitenwende“. Einleitend heißt es:

„Der Imperialismus ist zurück in Europa. Viele hatten die Hoffnung, enge wirtschaftliche Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeiten würden zugleich für Stabilität und Sicherheit sorgen. Diese Hoffnung hat Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine nun für alle sichtbar zerstört. Die russischen Raketen haben nicht nur in Charkiw, Mariupol und Cherson massive Zerstörung verursacht, sondern auch die europäische und internationale Friedensordnung der vergangenen Jahrzehnte in Schutt und Asche gelegt.“

An diesem Absatz ist nahezu alles falsch.

Die Rückkehr des Imperialismus Nicht mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins kam der Imperialismus nach Europa zurück. Sollte er jemals verschwunden gewesen sein, so kam er spätestens mit den NATO-Bomben auf die BR Jugoslawien im Jahr 1999 zurück. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, mit dem die westlichen Großmächte vor aller Öffentlichkeit das Recht des Stärkeren demonstrieren wollten, dem das Recht gleichgültig war, weil ein den Krieg völkerrechtlich legitimierendes UN-Mandat im Sicherheitsrat nicht durchsetzbar war. Die deutschen Machteliten waren die treibende Kraft hinter diesem Krieg und dessen Hauptprofiteure. 2001 meldete die deutsche „Welt“ in einer Art und Weise Vollzug, die tatsächlich eine „Zeitenwende“ signalisierte, weil sie unmissverständlich die Rückkehr eines imperialistischen Deutschlands signalisierte:

„Wenn demnächst auf die eine oder andere Weise Mazedonien noch dazukommt, wird die gesamte Region ein unerklärtes Protektorat der Europäischen Union sein. …. Ja, der Balkan ist unser Hinterhof. Ja, wir haben dort Interessen, für die wir einstehen wollen. Ja, militärische Macht gehört in letzter Konsequenz eben doch zu den Mitteln, diese Interessen und Werte durchzusetzen. Franzosen und Briten war dieser selbstbewusste Kanon vielleicht nicht neu, doch auch sie blieben auf dem Balkan ohne Macht – bis die Deutschen sich besannen, zögerlich noch unter der Regierung Kohl, zur Entschlossenheit gezwungen unter der Regierung Schröder. So hat sich Europa verändert, weil vor allem die Deutschen sich verändert haben. … In diesem Selbstbewusstsein haben die Europäer die politischen Regeln des Westens in Südosteuropa durchgesetzt. … Wer Stärke zeigt, wer Interessen hat und sie durchsetzen will – der haftet lange.“ (Die Welt, 30.06.2001)

Räuberische Handelsverträge

Auch der nächste Satz über die enttäuschte Hoffnung, „enge wirtschaftliche Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeiten würden zugleich für Stabilität und Sicherheit sorgen“, trieft vor Heuchelei: Die EU hat gegenüber der osteuropäischen Peripherie oder den angrenzenden Staaten im Mittelmeer vor allem räuberische Freihandelsabkommen exportiert, die eben nicht von gegenseitigen, sondern von zutiefst einseitigen Abhängigkeiten zugunsten des westeuropäischen Zentrums und dessen Konzerne geprägt waren. Diese neoliberalen Freihandelsabkommen mündeten in soziale Spaltungen, Gewalt und Krieg. Nicht zuletzt das neoliberale EU-Ukraine-Assoziationsabkommen, das von EU und USA durchgepeitscht wurde, brachte die ukrainische Tragödie ins Rollen.

„In Schutt und Asche“

Besonders abenteuerlich ist der letzte Satz, dass die russische Aggression gegen die Ukraine „die vergangene internationale Friedensordnung in Schutt und Asche“ gelegt hätten. Wer so einen Unfug schreibt, muss – sofern er redlichen Gemüts ist - die letzten drei Jahrzehnte als Eremit in völliger Weltabgeschiedenheit verbracht haben. Denn die internationale Friedensordnung wird nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine, sie wird bereits seit Jahrzehnten „in Schutt und Asche“ gelegt – vor allem durch die Kriege westlicher Großmächte gegen Irak, Jugoslawien, Afghanistan, und Libyen. Friedensforscher kommen zu dem Schluss, dass die westlichen Kriege, die oftmals als „War on Terror“ firmierten, vier bis fünf Millionen Menschen das Leben gekostet haben könnten, Abermillionen wurden zur Flucht gezwungen, Staaten wurden völlig zerrüttet, Bevölkerungen ins Elend getrieben.

Was den Westen am russischen Krieg empört, ist nicht, dass dieser völkerrechtswidrig und neoimperialistisch ist, sondern dass sich Moskau anmaßt, zu jenen verbrecherischen Mitteln zu greifen, die NATO und EU bisher als ihr exklusives Privileg betrachteten.

Quantensprung für alte Agenda

Das macht den Krieg Putins nicht besser, lässt aber das von Olaf Scholz in den einleitenden Sätzen aufgebaute Kartenhaus einknicken und alles Folgende als das erkennen, was es ist: die beschleunigte Fortsetzung einer alten Agenda, die mit der Gründung der Europäischen Union (Vertrag von Maastricht) Anfang der 90er Jahre begonnen wurde: Die EU muss militärische Supermacht werden und Deutschland deren Führungsmacht.

Der damalige Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, Vier-Sterne-General Klaus Naumann, formulierte das 1993 zackig: „Es gelten nur mehr zwei Währungen in der Welt: wirtschaftliche Macht und militärische Mittel, sie durchzusetzen.“ (Spiegel-Interview, 18.1.1993). Diese „Zeitenwende“ begann vor drei Jahrzehnten, zunächst schleichend, mit dem Jugoslawien- und Afghanistankrieg erhielt sie um die Jahrtausendwende einen Schub, wurde ab der Wirtschaftskrise 2008 ff wieder schleppend, bekam mit der EU-Globalstrategie 2016 frischen Wind unter den Flügeln und soll nun mit dem „Strategischen Kompass“ zum „Quantensprung“ (O-Ton, EU-Rat)ansetzen: hunderte Milliarden für neue Rüstungspakete, Aufbau von Streitkräften unter zentralem Brüsseler Kommando für weltweite Kriegseinsätze, uniforme EU-Außenpolitik. Diese Pläne wurden seit langem entwickelt. Der Ukraine-Krieg war der willkommene Anlass, sie aus der Schublade zu holen.

Preußischer Kommandoton

Unter diesem Blickwinkel ergeben dann die weiteren Ausführungen von Olaf Scholz im FAZ-Artikel einen beklemmenden Sinn: Scholz unterstreicht, dass die EU „geopolitischer Akteur“ werden müsse. Das erfordere vor allem eines: „Geschlossenheit“. Ab hier verfällt Scholz in preußischen Kommandoton: „Unser Ziel muss es sein, … unsere Reihen zu schließen. … Schluss mit den egoistischen Blockaden europäischer Beschlüsse durch einzelne Mitgliedstaaten. Schluss mit nationalen Alleingängen, die Europa als Ganzem schaden.“ Dann kommt Scholz zum Punkt: „Nationale Vetos, etwa in der Außenpolitik, können wir uns schlicht nicht mehr leisten“ (FAZ, 18.6.2022). Nicht auszudenken, wenn ein Land (gar ein neutrales?) sich „mit einer egoistischen Blockade“ bei EU-Kriegseinsätzen querlegen würde.

Fürs Kriegführen braucht man aber nicht nur den zentralisierten politischen Willen, sondern auch die entsprechenden Mittel. Scholz kündigt an, mit dem 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr werde „Deutschland in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der NATO verfügen.“ Deutschland werde daher „den Kern“ der ab 2025 einsatzbereiten EU-Eingreiftruppe übernehmen. Um „eine klare Führungsstruktur“ sicherzustellen, solle die Truppe für globale Militärmissionen „aus einem echten EU-Hauptquartier“ befehligt werden.

Weitere deutsche SpitzenpolitikerInnen meldeten sich nach dem Chef zu Wort: Die deutsche SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht führte aus, dass mit diesem 100-Milliarden-Sondervermögen, das über Kredite finanziert wird, das Militärbudget Deutschlands sofort auf 2% des BIP klettern werde. Dieses Sondervermögen reiche aber nur bis 2026. Um den 2%-Anteil langfristig abzusichern, müsse ab dann der reguläre Militärhaushalt schlagartig um 35 Milliarden erhöht werden, aber nicht mehr über Kredite, sondern – so Lamprecht - „über Umschichtung im Haushalt“ zu Lasten „anderer Mittel der staatlichen Daseinsvorsorge“ (Rede Lambrecht, 12.9.2022). Im Klartext: Bald müssen die Leute den Gürtel enger schnallen, um die deutsche Hochrüstung zu finanzieren. Der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ergänzte kurz und knackig: „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem. […] Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben. Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen.“

Wenn die deutsche Spitzenpolitik ankündigt, „nach knapp 80 Jahren“ die militärische Zurückhaltung aufzugeben, dann sollten bei Friedensbewegten alle Alarmglocken läuten.

https://www.solidarwerkstatt.at/demokratie-politik/die-reihen-schliessen. Gerald Oberansmayr (Oktober 2022), Werkstatt-Blatt 3/2022


Zwischen Frankreich und Deutschland läuft es gar nicht gut

Zwischen Frankreich und Deutschland läuft es gar nicht gut – und das inmitten der schwersten Energiekrise der EU

Die EU-Staaten suchen gerade nach dem Königsweg, um die Energiekrise zu stemmen. An Ideen zur Senkung der Preise und zur Sicherung der Versorgung mangelt es nicht – an Differenzen aber auch nicht. Ausgerechnet die zwei wichtigsten Mitgliedstaaten liegen bei zentralen Fragen über Kreuz.

Die Europäische Union steht wohl erst am Anfang einer Krise, in der dem Kontinent Massenarbeitslosigkeit, Firmenpleiten und ein erheblicher Wohlstandsverlust drohen. In diesen Zeiten, so sollte man meinen, liegt es an den 27 Staats- und Regierungschefs, konstruktiv, gemeinschaftlich und unaufgeregt nach Lösungen zu suchen. Doch gleich zu Beginn des wichtigen Herbstgipfels der EU vom Oktober 2022 fällt ein Satz, den man so noch nicht in Brüssel gehört hat.

«Deutschland isoliert sich»

«Ich glaube, es ist nicht gut, weder für Deutschland noch für Europa, wenn sich ein Mitgliedstaat selbst isoliert», sagt Emmanuel Macron vor den versammelten Journalisten im Ratsgebäude, und man kann dem französischen Staatspräsidenten dabei förmlich ansehen, wie sauer er auf den deutschen Bundeskanzler ist. Olaf Scholz hat in den Tagen zuvor schon klargemacht, dass er den von Frankreich und anderen EU-Staaten geforderten Höchstpreis auf Gas sowie die Aufnahme neuer europäischer Schulden zur Bewältigung der Energiekrise vehement ablehnt.

Kurz vor Macron war Scholz bereits vor die Mikrofone getreten und hatte seine Statements abgegeben. Auf die Frage, ob sich Berlin nicht unsolidarisch verhalte gegenüber dem Rest der EU, erklärte der Bundeskanzler, dass Deutschland im Gegenteil «sehr solidarisch» sei, denn immerhin bestreite man mit 26 Prozent den Löwenanteil des EU-Budgets. Zudem tue man mit dem Entlastungspaket, das Unternehmer und Verbraucher vor den explodierenden Gas- und Strompreisen schützen soll, auch nichts anderes als Frankreich, Italien und Spanien, die sich zuerst um die eigenen Bürger kümmerten, so Scholz.

Kein einziges Land in der EU würde bestreiten, dass Deutschland die höchsten Geldbeträge nach Brüssel überweist. Die Zahlen sind allgemein bekannt, und in den vergangenen Jahrzehnten hatten es Angela Merkel und ihre Vorgänger nicht nötig, das herauszustreichen. Dass Scholz es offenbar nötig hat, zeigt, dass die Nerven blank liegen.

Es hat sich viel Ärger angestaut beim französischen Präsidenten, gerade was das Energie-Dossier betrifft. So war Macron verschnupft, als die Ampelregierung sich nicht stärker mit dem Nachbarn abstimmte bei der Entwicklung des «Doppel-Wumms», des Hilfspakets in der Höhe von 200 Milliarden Euro. Und auch bei der Debatte über einen möglichen Höchstpreis für Erdgas – einem wie auch immer ausgeprägten «Preisdeckel» – gab es vor dem Gipfel keinen Konsens zwischen Paris und Berlin. Vielmehr stehen sich die beiden grössten Volkswirtschaften der Europäischen Union hier diametral gegenüber.

Ein Deckel für jeden Topf

Frankreich gehört zu den 15 Ländern, die einen breiten Preisdeckel fordern. Dieser würde bedeuten, dass die EU-Firmen für sämtliches Erdgas nicht mehr als einen vorher definierten Maximalpreis bezahlen. Der Vorteil? Nicht nur die Preise für Erdgas in der EU würden sinken, auch Strom wäre günstiger. Schliesslich sind es derzeit vor allem die teuren Gaskraftwerke, die den Strompreis definieren. Fallen dank niedrigeren Gaspreisen die Grenzkosten, sinken auch die Preise für Elektrizität.

Es gibt aber auch gravierende Risiken, und Deutschland und die Niederlande gehören zu den 12 Ländern, die sie am lautesten vortragen. Ein Preisdeckel, argumentieren sie, könnte die Versorgungssicherheit in Europa stark gefährden. Denn gerade Schiffe mit verflüssigtem Erdgas (LNG) – wie sie dieser Tage vor Spanien vor Anker liegen – könnten ihre Ware zu anderen Kunden transportieren, falls diese mehr als die Europäer bieten. Hinzu kommt, dass die Konsumenten einen geringeren Anreiz hätten, Gas und Strom zu sparen.

Weil sich mehr Mitgliedstaaten für den Preisdeckel als gegen ihn aussprachen, musste die EU-Kommission entgegen ihren ursprünglichen Absichten eine Deckel-Lösung vorschlagen. Das hat sie im Oktober 2022 getan. Sie skizzierte aber nur grob eine Preisobergrenze und teilte mit, eine detailliertere Ausarbeitung würde erst erfolgen, wenn sich alle Mitgliedstaaten darauf einigten.

Die Kommission bevorzugt einen «dynamischen» Preisdeckel, der nur im Notfall aktiviert würde. Betroffen wären Transaktionen am Spotmarkt. Dabei wird kurzfristig, also in ein bis zwei Tagen, lieferbares Gas gehandelt. Grob gerechnet ein Drittel der in der EU verbrauchten Menge Erdgas wird so am Markt gehandelt, der Rest wird weiter im Voraus verkauft.

«Dynamisch» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Importeure etwa für LNG immer fünf Euro mehr bezahlen als konkurrierende Käufer in Asien. Der LNG-Markt ist nämlich ein globaler Markt, und dank der vergleichsweise einfachen Verschiffbarkeit des Produktes stehen die Europäer vor allem mit Ländern wie Japan im Wettbewerb. Der G-7-Verbündete, der auch auf Flüssiggas angewiesen ist, hätte an einem solchen Preisdeckel wohl kaum Freude.

«Iberische Lösung» nicht billig

Ein anderer möglicher Kompromiss wäre wohl das sogenannte iberische Modell, für das sich auch Macron erwärmen könnte. Die Staaten zahlen dabei einen Teil der Kosten für Erdgas, das zur Stromproduktion verwendet wird. Der Elektrizitätspreis sinkt dadurch. Doch: Für die Differenz zwischen Marktpreis und subventioniertem Preis muss der Steuerzahler aufkommen. Und gerade das Beispiel Spanien zeigt, dass benachbarte Länder gerne den verbilligten Strom kaufen. Scholz kann sich nicht für den Weg der Iberer begeistern; auch deshalb nicht, weil Deutschland viel mehr grenzüberschreitende Leitungen hat als Spanien und Portugal. Das Risiko besteht, dass deutsche Steuerzahler Stromkunden auch ausserhalb der EU, also etwa in der Schweiz und in Grossbritannien, subventionieren würden. Eine Übertragung des iberischen Modells auf die gesamte EU könnte im Winter zu «massiven Engpässen» führen, heisst es aus Berlin.

Deutschland und anderen Nettozahlern wie den Niederlanden gefällt es zudem nicht, dass Staaten wie Frankreich bereits wieder nach zusätzlichen gemeinsamen Schulden rufen. Aber Berlin und Den Haag sind bereit, Hilfsgelder, die eigentlich für die Folgen der Pandemie gedachten waren und noch nicht abgerufen wurden, umzuleiten.

Auch Polen ist sauer

Ebenfalls nicht herzerwärmend dürfte für Scholz sein, dass Macron unmittelbar vor dem Gipfel mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und dem portugiesischen Premierminister Antonio Costa das Projekt «Midcat» begraben hat. Deutschland versprach sich von dieser Erdgas-Pipeline über die Pyrenäen einen besseren Zugang zu spanischem Flüssiggas. Immerhin planen die drei Länder nun einen Ersatz für Midcat: Durch eine Unterwasserpipeline von Barcelona nach Marseille soll zunächst Erdgas und dann Wasserstoff fliessen. Verärgert hat Scholz freilich nicht nur die Franzosen. Auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki griff die deutsche Regierung mit Blick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland scharf an. «Dieses theoretisch billige russische Gas für die deutsche Wirtschaft sollte ein Segen für sie sein, aber es ist zum Fluch für ganz Europa geworden», wetterte Morawiecki. Alle Länder könnten heute das «Fiasko der deutsch-russischen Politik» sehen. NZZ, 21. Oktober 2022, S. 25


Leichtfertiger Umgang von Bundesrat und Parlament mit der Verfassung

Es besteht in der Schweiz eine Tendenz zur Politik via Notrecht. Dies lässt die Frage der Notwendigkeit eines Verfassungsgerichts in neuem Licht erscheinen.

Einigen sich sämtliche Parteien über Nacht in einer bisher stark umstrittenen Frage, besteht Grund, das Ganze zu hinterfragen. Die innerhalb ein und derselben Session beratenen und beschlossenen «dringlichen Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter» in Abänderung des Energiegesetzes mit dem Ziel, in Anbetracht einer drohenden Winterstromlücke alpine Gross-Solaranlagen und die Erhöhung der Grimsel-Staumauer bis Ende 2025 zu ermöglichen, verdienen denn auch einen kritischen zweiten Blick. Das eingeschlagene Beratungstempo, das gewählte Inkraftsetzungsverfahren sowie die vorgenommenen Eingriffe in die von Verfassung und Gesetz festgelegte Abwägung der Interessen bei der Erstellung von Energieproduktionsanlagen erfüllen zwar (punktuell) den Wunsch nach Verfahrensbeschleunigung, passen aber auch in die gegenwärtig zu beobachtende Tendenz zur Politik qua Notrecht (NZZ 12. 9. 22) mit der zwangsläufig drohenden Qualitätseinbusse.

Schludrige Instant-Gesetzgebung

Vorauszuschicken ist, dass die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz gegenüber den drei konkreten mit der Vorlage geförderten Projekten aus Sicht ihres Stiftungszweckes keine rechtlichen Einwände hat: Die beiden geplanten alpinen Solaranlagen Gondo und Grengiols befinden sich nicht in Schutzgebieten von nationalem Interesse, die zweite beeinträchtigt höchstens den vom Kanton Wallis bisher geförderten Landschaftspark Binntal. Und gegen die Erhöhung der Grimsel-Staumauer als Eingriff in eine bereits stark von Technik geprägte Landschaft hatten wir uns nie gewehrt.

Die bei allem Respekt gegenüber dem Parlament nicht anders als schludrig zu bezeichnende Instant-Gesetzgebung zeigt sich bereits daran, dass die Realisierbarkeit des Projektes Grengiols innerhalb der Geltungsdauer des Gesetzes bisher offenbar bloss an einer Hotelbar in Brig geprüft worden ist und daher eher fraglich ist. Und wenn gemäss dem Projektverantwortlichen für die Grimsel-Staumauer-Erhöhung das Gesetz das Vorhaben nicht beschleunigen wird, spricht das ebenfalls Bände. Beide Projekte einer diesbezüglichen Überprüfung zu unterziehen, wäre bis zur nächsten Session möglich gewesen.

Die gemäss Titel «kurzfristige Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter» ist dahingehend zu relativieren, dass damit frühestens der Winter 2024/25 gemeint ist, vermutlich eher der folgende. Dass unter diesen Umständen das dringliche Verfahren überhaupt anwendbar war, ist in einer ersten, der Öffentlichkeit zugänglichen Einschätzung des Bundesamtes für Justiz nicht befürwortet worden. Es wurde versäumt, diese wichtige Frage eingehend zu prüfen. Der Ständerat hat am ersten Sessionstag zwei Motionen aus seiner Mitte abgelehnt, welche die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen und allgemeinen Bundesbeschlüssen verlangten, was heute ausgeschlossen ist (Art. 190 BV). Als Begründung ist unter anderem angeführt worden, das Parlament und namentlich der Ständerat seien für die Beachtung der Verfassung demokratisch stärker legitimiert, somit zuständig und auch verantwortlich: Ein Verfassungsgericht sei nicht notwendig, der Ständerat müsse nur seine Aufgaben wahrnehmen, hiess es.

Genau drei Tage später beschlossen dieselben Stimmen eine Verletzung von Art. 78 BV, welcher bei Eingriffen in den Natur- und Landschaftsschutz eine Interessenabwägung verlangt, sowie von Art. 89 BV, der nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine umweltverträgliche Energieversorgung und damit ebenfalls eine entsprechende Werteabschätzung verlangt.

Ausnützung eines günstigen «Momentums»

Das festzustellen, bedarf keines juristischen Sachverstandes. Aber erst die klare Einschätzung des Bundesamtes für Justiz brachte die beiden vorberatenden Kommissionen sowie Stände- und Nationalrat dazu, die offensichtlichsten Verfassungsverletzungen zu eliminieren. Als Krönung des parlamentarischen Schnellschusses ist noch das Grimselprojekt in das Gesetz aufgenommen worden, ohne das Gewaltenteilungsprinzip und die kantonalen Kompetenzen zu beachten.

Trotz den klaren verfassungsrechtlichen Fragwürdigkeiten ist das Gesetz als verfassungskonform und dringlich erklärt worden, was ein Referendum praktisch unmöglich macht.

Die auch in der NZZ gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit vorgebrachten Argumente leuchten ein (NZZ 13. 9. 22 / 5. 10. 22). Wenn allerdings das Parlament unter dem Schutzschild von Verfassungsbestimmungen (Art. 190 und 189 Abs. 4 BV) willkürlich und unter Ausnützung eines günstigen «Momentums» die Verfassung übergeht, wenn der Bundesrat dieses Vorgehen stützt und über staatsrechtliche Einsprüche (wie etwa denjenigen von Prof. Griffel) einfach hinweggeht, wird die Notwendigkeit eines Verfassungsgerichts nicht länger zu bestreiten sein. NZZ, 20. Oktober 2022, S. 18, Kurt Fluri ist Jurist und Nationalrat (FDP, Solothurn).


Die Missstände bei Frontex

Die Missstände bei Frontex sollen der Vergangenheit angehören – doch EU-Parlament und Experten haben Zweifel Nach der Veröffentlichung eines Ermittlungsberichts über Missstände in der europäischen Grenzschutzbehörde hat das EU-Parlament der Agentur die Haushaltsentlastung verweigert. Frontex kommt nicht zur Ruhe – und steckt in einer Zwickmühle.

Sie sei schockiert gewesen, als sie den Untersuchungsbericht des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (Olaf) über Frontex gelesen habe, sagte die EU-Kommissarin Ylva Johansson. Dann warb sie vor dem EU-Parlament für einen Neuanfang und für die neue Interimsleiterin der Grenzschutzagentur.

Doch es half nichts. Mitte Oktober 2022 lehnte eine Mehrheit der EU-Parlamentarier die Haushaltsentlastung für Frontex ab, nachdem der Agentur Mitwissen bei Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Aussengrenzen und das Unterschlagen von Beweismaterial nachgewiesen worden war.

Gemeinsam mit dem deutschen Portal für Informationsfreiheit «Frag den Staat» hatte der «Spiegel» grosse Teile des Untersuchungsberichts von Olaf veröffentlicht, der zuvor nur wenigen Personen zugänglich gewesen war.

Frontex wusste von illegalen Zurückweisungen

Der Agentur lag demnach Beweismaterial für illegale Zurückweisungen auf dem zentralen Mittelmeer sowie in der Ägäis vor – darunter eine, bei der mindestens zwölf Menschen starben. Immer wieder waren bei der Behörde in Warschau Berichte von Frontex-Mitarbeitern eingegangen, die Grundrechtsverletzungen an den europäischen Aussengrenzen durch die nationalen Behörden dokumentierten.

Die Behörde selbst hatte mit ihren Flugzeugen Videomaterial von Zurückweisungen erstellt. Mehrfach forderten Mitarbeiter die Agentur dazu auf, wegen der illegalen Zurückweisungen in libysches und türkisches Hoheitsgebiet die internen Kontrollmechanismen in Gang zu setzen und die Vorgänge zu prüfen.

Doch die damalige Führung der Agentur unter Fabrice Leggeri verheimlichte die Vorwürfe und vertuschte die Vorfälle. Sie stufte deren Wichtigkeit herunter und verhinderte damit, dass der interne Kontrollmechanismus in Gang gesetzt werden konnte. Die Grundrechtsbeauftragten, die bei Verdacht auf schwerwiegende Rechtsverletzungen zum Zug kommen, wurden von Leggeri an ihrer Arbeit gehindert. Den Zugang zu dem Datenmaterial gewährte er nur ausgesuchten Personen.

Bereits im Frühjahr 2022 war Leggeri nach Bekanntwerden der Ermittlungen zurückgetreten. In einer Stellungnahme spricht Frontex angesichts der Ergebnisse des neuen Ermittlungsberichts von einer «Momentaufnahme» und von «Praktiken der Vergangenheit». Trotzdem betrachte man die Ergebnisse der Ermittlungen als eine «Gelegenheit, um Veränderungen zum Besseren vorzunehmen», so Frontex. Neben Leggeri seien auch die beiden anderen Hauptbeschuldigten, beides enge Mitarbeiter, nicht mehr im Amt, betont Lena Düpont, die innenpolitische Sprecherin der EVP-Fraktion im EU-Parlament. Die Agentur habe in der Zwischenzeit ihre Hausarbeit gemacht, Personal ausgewechselt und Grundrechtsbeauftragte eingestellt. Die Kontrollmechanismen würden wieder funktionieren, so Düpont. Doch daran gibt es Zweifel.

Es fehlen Kontrollmechanismen

Seit Jahren kritisieren EU-Parlamentarier fehlende Kontrollmechanismen bei der Agentur. Die Abgeordneten kämen nur sehr mühsam und unzureichend an Informationen. Das Fehlen einer externen Kontrolle liege auch an der institutionellen Architektur, in die Frontex eingebettet sei, sagt Bernd Kasparek vom Institut für Migrationsforschung an der Berliner Humboldt-Universität. Er forscht seit Jahren zu Frontex. Wie andere europäische Agenturen hätte sich auch Frontex ursprünglich von politischer Einflussnahme unabhängig machen sollen. Ihr Auftrag bestand zunächst ausschliesslich darin, Informationen zu Migrationsbewegungen zu sammeln und Expertisen zu entwickeln, mit denen nationale Behörden unterstützt werden sollten. Die Unabhängigkeit von politischen Entscheidungsträgern ist dafür essenziell.

Seit ihrer Gründung 2005 wurde die Agentur immer weiter ausgebaut. Das Budget stieg von 6 Millionen auf 754 Millionen Euro. Neben Aufklärungsarbeit an den Grenzen ist Frontex nun auch für die Ausbildung von Küstenwachen, die Hilfe bei der Seenotrettung und bei Abschiebungen zuständig.

Auf eine steigende Zahl der Grenzübertritte hätten die Mitgliedstaaten jeweils mit einem Ausbau der Agentur reagiert, sagt Bernd Kasparek. «Dagegen wurden die Kontrollmechanismen über die Jahre nur unzureichend angepasst.» Die Verweigerung von Finanzmitteln sei die einzige Möglichkeit des Parlaments, externen Druck auf Frontex aufzubauen.

Olaf, das Amt für Betrugsbekämpfung, ist als einziger Akteur mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und doch kein direktes Kontrollorgan für Frontex. Die Agentur hat auch keinen direkten politischen Verantwortlichen. «Was auf nationaler Ebene das Innenministerium ist, existiert auf europäischer Ebene nicht», sagt Kasparek. So ist die Agentur letztlich von den Mitgliedstaaten abhängig. «Frontex steckt in einer Zwickmühle»

Denn der Verwaltungsrat, der die Führung der Agentur beaufsichtigt, besteht aus den Leitern der nationalen Grenzbehörden aller Mitgliedstaaten. Ergänzt wird er lediglich von zwei Mitgliedern der EU-Kommission.

An den europäischen Aussengrenzen, an denen Frontex nicht nur mit Überwachung aus der Luft, Risikoanalysen und Geodaten, sondern auch mit eigenen Beamten die nationalen Behörden unterstützt, ist Frontex nicht weisungsbefugt. Die Beamten der Agentur assistieren, die nationalen Grenzschützer führen aus.

Im Olaf-Bericht wird vermerkt, nationale Grenzschützer hätten die Arbeit von Frontex mehrfach behindert: Im April 2020 verweigerte die maltesische Küstenwache die Weitergabe eines Positionsberichts eines auf dem zentralen Mittelmeer in Not geratenen Flüchtlingsbootes. Offenbar, so legt der Bericht nahe, um das Boot unbemerkt von Frontex in italienisches Küstengebiet weiterzuschleppen und damit die italienischen Behörden für die weitere Versorgung der Schiffbrüchigen verantwortlich zu machen.

Während sich die maltesischen Beamten in diesem Fall der Kontrolle durch Frontex entzogen, arbeitet die Grenzschutzagentur in anderen Fällen meist eng mit den nationalen Grenzschützern zusammen. «Frontex steckt in einer Zwickmühle. Denn die Agentur ist von den Mitgliedstaaten abhängig, muss sie aber gleichzeitig beaufsichtigen», sagt Kasparek.

Mitgliedstaaten lehnen Unterstützung durch Frontex ab

Die Mitgliedstaaten sind dabei im Zweifelsfall am längeren Hebel: Im vergangenen Jahr, als es an der Grenze zwischen Weissrussland und Polen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Grenzschützern kam, lehnte Polen eine Unterstützung durch Frontex ab – trotz Drängen der EU-Kommission. Ein Bericht von Amnesty International kam zu dem Ergebnis, dass es an der polnisch-weissrussischen Grenze regelmässig zu illegalen Zurückweisungen kommt.

Sollte Frontex künftig stärker Grundrechtsverletzungen der nationalen Behörden dokumentieren, was angesichts der Ergebnisse des Olaf-Berichts auf der Hand läge, könnten Mitgliedstaaten eine Unterstützung durch die Agentur wohl vermehrt ablehnen, fürchtet Kasparek. NZZ, 25. Oktober 2022, S. 5


Zufallsgewinne in Milliardenhöhe – Europas Grossbanken profitieren von üppigen Geschenken der EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat 2019 ein Programm zur Stützung der Konjunktur lanciert, das auch eine Subventionierung von Banken war. Durch die nun erfolgte Zinswende explodieren die Gewinne der Banken aus diesem Programm. Wann greift die EZB ein?

Einen «Free Lunch», also einen risikolosen Gewinn, gibt es an den Finanzmärkten nicht. Das war bisher zumindest die herrschende Meinung unter Marktteilnehmern. Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt jedoch über zwei Mechanismen dafür, dass grosse Geschäftsbanken quasi risikolos Dutzende Milliarden Euro zulasten der Notenbank verdienen können. Geplant war das einst etwas anders, deshalb stossen die hohen Gewinne der Banken inzwischen auch vielen Mitgliedern des EZB-Rates auf.

EZB nimmt Zufallsgewinn ins Visier

Allein die DZ Bank, Deutschlands zweitgrösste Privatbank, verdient 2022 an dem System risikolos einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, 2023 könnte es noch sehr viel mehr sein. Über die gesamte Euro-Zone gerechnet dürften die Bankgewinne aus den EZB-Geschäften im Jahr 2023 bei knapp 29 Milliarden Euro und 2024 noch bei 3,4 Milliarden Euro liegen, hat Karsten Junius ausgerechnet, der Chefökonom der Basler Bank J. Safra Sarasin. Dabei können sich die Banken langfristig sehr günstig Geld von der EZB leihen und es sehr kurzfristig zu höheren Zinsen wieder bei der EZB anlegen.

Änderungen des bisherigen Systems sind mit gewissen Vor- und Nachteilen verbunden, weshalb die Optionen heiss diskutiert werden. Letztlich geht es der Notenbank dabei auch um die Reduktion ihrer gewaltigen Bilanzsumme, die in den vergangenen Jahren auf fast 9 Billionen Euro gewachsen ist, was 65 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Euro-Zone entspricht. 2010 hatte die Bilanz nur 20 Prozent und 2019 rund 37 Prozent des BIP ausgemacht.

Wie kommen die Milliardengewinne zustande? Die EZB hatte im September 2019 mit der Lancierung einer neuen Serie von zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsoperationen für Geschäftsbanken begonnen, die im Fachjargon als Targeted Longer-Term Refinancing Operations III, kurz TLTRO III, bezeichnet werden. Eingeführt wurde das Instrument von der EZB in seiner ursprünglichen Form im Nachgang der Finanzkrise, um damalige Probleme bei der Kreditvergabe im Bankensektor zu beheben.

Subventionen für den Bankensektor

Die 2019 lancierten TLTRO III erachten Marktteilnehmer als Subvention für den Bankensektor, mit denen die Notenbank die Geschäftsbanken für die bis zum Sommer herrschenden Negativzinsen entschädigen wollte. Insgesamt gab die EZB zehn Tranchen des TLTRO-III-Kredits mit einer Laufzeit von je drei Jahren heraus, die letzte Tranche Ende 2021. Mit den Refinanzierungsgeschäften beabsichtigte die Notenbank nach eigenen Angaben, die Banken auch in schwierigen konjunkturellen Zeiten zur Kreditvergabe an Unternehmen und Privatpersonen zu animieren, um die Wirtschaft zu unterstützen. Das galt besonders für die Zeit nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa im Frühjahr 2020. Die Konditionen waren absichtlich von Anfang an attraktiv, doch inzwischen haben sich die Kredite durch die steigenden Zinsen zu einem äusserst einträglichen Geschäft für die Banken entwickelt.

Mit dem Segen der Notenbanker konnten sich die Geschäftsbanken also Geld für drei Jahre leihen und die nicht an Unternehmen und Privatpersonen weitergegebenen Mittel über Nacht wieder bei der EZB zu einem höheren Zinssatz anlegen – ein wunderbares Geschäft. Im Detail funktionierte das wie folgt: Die Banken durften von der EZB Geld leihen mit einer Laufzeit von drei Jahren sowie mit Zinssätzen von bis zu –1 Prozent für zumindest einen Teil der Laufzeit. Sie bekamen also Geld von der EZB dafür, dass sie sich an dem Programm beteiligten. Dafür mussten die Banken nur versprechen, in der Krise ihre Kreditvergabe nicht zu reduzieren. Das erhaltene Geld durften sie dann wieder bei der EZB zum Einlagensatz der Notenbank über Nacht anlegen, sofern sie es nicht an ihre Endkunden weitergegeben hatten. Der Einlagensatz betrug bis 26. Juli dieses Jahres –0,5 Prozent, die Banken verdienten also bis zu 50 Basispunkte mit den TLTRO-Krediten, die insgesamt ein Volumen von 2,1 Billionen Euro erreicht haben.

Notenbank prüft ihre Optionen

Ende Juli 2022 startete die EZB dann den Zinserhöhungszyklus. Derzeit liegt der Zins bei 0,75 Prozent, am Jahresende wird der Einlagensatz voraussichtlich sogar bei 2 Prozent oder höher notieren – Tendenz weiter steigend. Dann könnten Banken mit den TLTRO-Krediten 2 Prozentpunkte oder mehr verdienen. Aus der Sicht eines Asset-Managers, der nicht zitiert werden möchte, handelt es sich durchaus um einen «Free Lunch» oder zumindest um eine Art Zufallsgewinn. Junius von Safra Sarasin ergänzt, die EZB habe bei der Lancierung der TLTRO-Tranchen 2019 nicht bedacht, dass sie während der drei Jahre Laufzeit so kräftige

Zinserhöhungen vornehmen könnte.

Die Gewinne der Banken aus diesem Mechanismus entsprechen zugleich den Verlusten der EZB daraus. Das hat in den vergangenen Wochen Kritik hervorgerufen, nicht zuletzt von Politikern, die ein Ende der Geschäfte verlangen. Besonders angesichts der einbrechenden Konjunktur und der hohen Inflation durch die Energie- und Lebensmittelpreise seien diese Zufallsgewinne für die Banken unangemessen, so der Tenor der Kritiker. Viele Beobachter haben sich gewundert, dass die EZB nicht schon bei ihrem Treffen im September den Banken diesen Geldhahn zumindest etwas zugedreht hat, weshalb Bankaktien direkt im Anschluss an das Ratstreffen zu den grossen Börsengewinnern zählten. Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde tönte aber an, die Bedingungen der TLTRO-III-Kredite zu gegebener Zeit zu prüfen.

Aus der Sicht von Marktbeobachtern hat die EZB mehrere Optionen: Erstens könnte sie die Konditionen der TLTRO III für die Tranchen mit einer Restlaufzeit bis maximal Ende 2024 ändern und von den Banken einen höheren Zins verlangen. Das würde die Gewinne der Banken senken oder sie zu einer vorzeitigen Rückzahlung der Gelder bewegen. Damit einhergehend würde sich zugleich die hohe Liquidität am Markt reduzieren, was auch aus geldpolitischer Sicht wegen der hohen Inflationsraten erwünscht wäre.

Allerdings könnten nachträgliche Änderungen zu rechtlichen Problemen führen. Zudem würden Änderungen im Nachhinein von den Banken als unfair erachtet werden und die Glaubwürdigkeit der EZB für mögliche ähnliche Geschäfte in der Zukunft verringern.

Reinvestitionen von Anleihen stoppen

Zweitens könnte die Notenbank die Mindestreserven, welche die Banken bei ihr unverzinst hinterlegen müssen, deutlich erhöhen. Dies würde zulasten der verzinsten Überschussreserven, welche die Banken bei der EZB anlegen dürfen, gehen. Drittens könnte die EZB einen gestaffelten Zins bei den Überschussreserven einführen. Beide Varianten könnten entweder für alle Banken gelten oder von der ausstehenden Menge an TLTRO-III-Krediten der jeweiligen Bank abhängig sein. Junius von Safra Sarasin plädiert für Ersteres, weil Banken den niedrigeren Zins sonst durch Verleihen der Liquidität an andere Banken leicht umgehen könnten.

Die Varianten zwei und drei würden jedoch nicht zur geldpolitisch erwünschten Verringerung der Liquidität im Markt führen. Junius schlägt deshalb vor, dass die EZB die Liquidität durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen reduzieren könnte, damit die Banken ihre überschüssige Liquidität gegen länger laufende EZB-Papiere tauschten. Genau das macht bereits die Schweizerische Nationalbank (SNB). Liquiditätsabsorbierende Repo-Geschäfte der Notenbank hätten laut Junius ferner den gleichen Effekt.

Bei der Bilanzsumme der EZB in der Höhe von fast 9 Billionen Euro machen die TLTRO III rund 2,1 Billionen aus, die verschiedenen Wertpapierkaufprogramme haben die Bilanz um 4,9 Billionen Euro erhöht. Viele Beobachter halten es inzwischen für angebracht, dass die EZB ihre Bilanz reduziert. Das kann nicht nur durch Änderungen bei den TLTRO III geschehen, sondern auch durch die Reduktion des Anteils der Wertpapiere. Die EZB müsste dazu einfach die Gelder aus fällig werdenden Anleihen nicht mehr reinvestieren. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass dieser Prozess in der ersten Jahreshälfte 2023 starten könnte. NZZ, 25. Oktober 2022, S. 25


In irrem Tempo an der Verfassung vorbei

Das Parlament hat dringliche Massnahmen beschlossen, damit die Grimselstaumauer erhöht und alpine Solaranlagen schnell gebaut werden können. Das sei nicht verfassungskonform, warnen Staatsrechtler. Das Referendum ergreifen will trotzdem niemand.

Raimund Rodewald findet klare Worte. «Die Legislative benimmt sich, als wäre sie die Exekutive. Es geht um massive Machtfragen. Da schimmert eine politische Haltung durch, die mir Angst macht», sagt der Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Ist der bekannteste Landschaftsschützer der Schweiz einfach ein schlechter Verlierer? Grosse Solaranlagen in den Bergen können künftig einfacher gebaut werden. Es braucht dafür kein Planungsverfahren mehr. Und der Grimselsee soll 23 Meter höher gestaut werden, damit er mehr Strom hergibt. Beides gilt als nationales Interesse und wird grundsätzlich höher gewichtet als andere nationale Interessen wie der Naturschutz. Das hat das Parlament am letzten Tag der Herbstsession 2022 definitiv beschlossen. Die «Solaroffensive», auch «Lex Grengiols» genannt, ist eine Ergänzung des Energiegesetzes. Inspiriert vom Walliser SP-Turbo Peter Bodenmann, ausgeheckt von FDP-Ständerat Ruedi Noser und Mitte-Ständerat Beat Rieder und in beispiellosem Tempo durch die Session gepeitscht.

Die Medienkommentare dazu sind grösstenteils bewundernd: Endlich geht es vorwärts. Endlich macht das träge Parlament Tempo.

Erfolg? Desaster?

Doch mehrere Staatsrechtler, darunter der Zürcher Professor Alain Griffel, kritisieren das Vorgehen heftig. Griffel listet eine ganze Reihe von Punkten auf, die er verfassungsrechtlich für hoch problematisch hält: den grundsätzlichen Vorrang der Bauprojekte vor anderen nationalen Interessen ebenso wie die fehlende Planungspflicht, die ausserdem rechtswidrig in die Kompetenzen der Kantone eingreife. Dass das Parlament mit dem Grimselstausee einen Einzelfall auf Gesetzesebene regle, verletze die Gewaltenteilung. Ausserdem sei die Dringlichkeit des Gesetzes nicht gegeben: «Denn eine allfällige Strommangellage diesen Winter kann es nicht abwenden.» Und als dringliches Gesetz, das teilweise gegen die Verfassung verstosse, müsste es dem obligatorischen Referendum unterstellt werden: «Nötig wäre eine Abstimmung von Volk und Ständen, und zwar ohne Unterschriftensammlung.»

Ist die «Lex Grengiols» ein Fortschritt für den Klimaschutz? Ist das Vorgehen des Parlaments verfassungswidrig? Das sind zwei grundverschiedene Fragen, die man auseinanderhalten sollte. Doch in der Diskussion vermischen sie sich dauernd. Selten war das Fazit von Links-Grün über einen Parlamentsentscheid so unklar: Ist er ein Erfolg? Oder ein Desaster? Viele sehen ihn als Erfolg – auch weil die ursprüngliche Vorlage des Ständerats noch viel heftiger war. «Geradezu kriminell», sagt Griffel. Der Ständerat wollte einen vollständigen Freipass für alpine Solaranlagen, auch in Biotopen von nationaler Bedeutung und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Das hat der Nationalrat verhindert.

«Aber wie soll man ohne Planungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung machen?», fragt Raimund Rodewald. «Wir haben die schlimmsten Böcke des Ständerats korrigiert», sagt die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. Sie habe sich in der Schlussabstimmung enthalten, weil sie die fehlende Planungspflicht und das Grimselprojekt im Gesetzestext für problematisch halte. «Aber das Bundesamt für Justiz sagte klar, die Vorlage sei nach unseren Korrekturen verfassungskonform.» Die Präsidentin der Gewässerschutzorganisation Aqua Viva klingt müde und defensiv: «Ich erwarte vom Bundesamt, dass es das sauber abklärt. Als Laien können wir das nicht in dieser Geschwindigkeit beurteilen.» Der Druck, die Verfahren für den Bau von Energieanlagen zu beschleunigen, sei riesig. «Wir müssen eine verfassungskonforme Beschleunigung hinbekommen, sonst kommen noch mehr solche Gesetze.»

Die «Lex Grengiols» ist bereits am Samstag, den 1. Oktober 2022, in Kraft getreten. Die Referendumsfrist läuft seit Montag, dem 3. Septeber 2022. Doch es ist absehbar, dass niemand das Referendum ergreifen wird. Die Umweltallianz, zu der der WWF, Greenpeace, Pro Natura und der VCS gehören, will jedenfalls nicht. «Ein Referendum wäre chancenlos», sagt Georg Klingler von Greenpeace. «Und es wäre verheerend, wenn wir Teile von etwas bekämpfen müssten, das wir selber gefordert haben.» Er beurteilt vieles an der Vorlage positiv, etwa die Fördermittel für grosse alpine Solaranlagen: «Damit wird die systemrelevante Rolle der Fotovoltaik endlich anerkannt.» Und die Solarpflicht bei Neubauten sei trotz Einschränkung – sie gilt nur noch für sehr grosse Dächer – erfreulich. Aber eben: Ob das Vorgehen des Parlaments rechtmässig war, ist eine andere Frage.

Es geht wohl so weiter

Die Demokratischen Jurist:innen der Schweiz (DJS) hätten sich mit der «Lex Grengiols» noch nicht beschäftigt, sagt Generalsekretärin Manuela Hugentobler auf Anfrage der WOZ.

«Dieses Vorgehen des Parlaments darf sich nicht wiederholen», sagen beide, Klingler und Munz. Doch das dürfte Wunschdenken sein, denn es geht wohl schon in der Wintersession ähnlich weiter: Die Umweltkommission des Nationalrats möchte auch für Windkraftprojekte ein dringliches Gesetz schaffen. Und der Ständerat will einen dauerhaften Freipass für Energieanlagen auch in Biotopen von nationaler Bedeutung (siehe WOZ Nr. 37/22). «Inakzeptabel», sagt Klingler über das zweite Vorhaben. «Wir setzen alles daran, dass das Parlament hier wieder zur Vernunft findet.»

Die «Lex Grengiols» ist hingegen befristet – bis 31. Dezember 2025. Aber glaubt wirklich jemand, die beschädigte Rechtskultur der Schweiz lasse sich danach einfach so wiederherstellen? WOZ, 6. Oktober 2022, S. 5


Staatsrecht : «Das ist eine Destabilisierung»

Die Sicherung der Stromversorgung verlange rasche Massnahmen, findet die Bundesversammlung. Diese widersprächen der Verfassung, sagt der Zürcher Staatsrechtsprofessor Alain Griffel. Er befürchtet einen Schaden für die demokratische Kultur weit über die aktuelle Vorlage hinaus.

WOZ: Alain Griffel, Sie haben am Radio gesagt, Sie hätten nie erwartet, dass sich das Parlament so verhält. Warum ist es doch passiert?

Alain Griffel: Ich gehöre nicht zu jenen Staatsrechtlern, die fanden, die Coronamassnahmen seien rechtlich unzulässig. Denn die Pandemie war eine ausserordentliche Notsituation, das dringliche Handeln war nötig. Aber ich habe den Eindruck, dass Corona im Parlament den Eindruck hinterlassen hat: Man darf jetzt eigentlich alles. Und sogar im Bundesrat: Die Verordnungen zum Notkraftwerk in Birr hätten eigentlich die Feststellung einer akuten Strommangellage vorausgesetzt.

WOZ: Das Notrecht in der Pandemie hatte zumindest noch eine Verfassungsgrundlage.

Alain Griffel: Ja. Jetzt foutiert man sich einfach darum. Dass wir möglicherweise im Winter in eine Strommangellage schlittern, ist ja wirklich keine gute Situation. Aber das, was man jetzt auf dringlichem Weg beschlossen hat, wird diesen Winter nichts ändern. Das wird einfach als Vorwand genommen, um «vorwärtszumachen». Ich habe grosse Zweifel daran, dass auch nur eins von den Projekten, die jetzt auf dem Gesetzesweg durchgeprügelt werden sollen, in fünf Jahren schon am Netz ist.

Das bisherige rechtliche System bei solchen Projekten ist zu etwas sehr Komplexem herangewachsen. Weil sich in der Umsetzung viele komplexe Fragen stellen: Man kann nicht mehr wie vor siebzig Jahren mit einem einfachen Beschluss eine Autobahn durch eine Moorlandschaft bauen. «Die Umwelt¬organisationen noch mehr in die Ecke zu drängen, ist sicher Teil des Kalküls.»

WOZ: Die Grimselstaumauer im Expressverfahren zu erhöhen, widerspreche dem kantonalen Recht, stand in Berner Zeitungen.

Alain Griffel: Ja, natürlich. Es widerspricht allem Möglichen. Das Parlament schafft mit seinem Vorgehen ganz viele neue Fragen. Wenn man keine raumplanerische Grundlage braucht: Wer muss dann was wann in welchem Rahmen prüfen, wer ist überhaupt zuständig? Was ist mit dem Gewässerschutzrecht, mit Rodungsbewilligungen und so weiter? Man zwingt die Umweltorganisationen fast dazu, solche Fragen bis vor Bundesgericht zu bringen, damit sie geklärt sind. Das wird sicher nicht zu einer Beschleunigung, eher zu einer Verlangsamung von Bauvorhaben führen.

WOz: Die Umweltorganisationen werden noch mehr unter Druck kommen. Man wird ihnen Zwängerei vorwerfen.

Alain Griffel: Das ist sicher Teil des Kalküls: die Umweltorganisationen noch mehr in die Ecke zu drängen. Weil diese Vorlage Verfassungsverstösse enthält, hätte sie dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müssen, für das man keine Unterschriften sammeln muss. Das hat das Parlament jedoch nicht getan. Das ist ein weiterer Punkt, wo das Parlament bewusst die Verfassung umgeht. Müsste der Bundesrat das Parlament nicht daran erinnern? Nein. Das Parlament müsste das selber. Es hat die Aufgabe, die Verfassung zu hüten. Umso mehr, als der Ständerat es in dieser Session gerade wieder abgelehnt hat, die Verfassungsgerichtsbarkeit moderat zu erweitern.

WOZ: Halten Sie es für Zufall, dass der Verfassungsbruch gerade bei diesem Thema passiert?

Alain Griffel: Nein. Mit dem Krieg in der Ukraine und der Versorgungskrise ist ein grosser politischer Druck entstanden. Und gewisse Kreise nutzen das schamlos aus, um den Umweltschutz abzubauen.

WOZ: Auch die SP stellt sich dem nicht entgegen.

Alain Griffel: Ja. Das erstaunt mich; sie hat bisher doch etwas mehr auf Verfassungstreue und Rechtskonformität geachtet als gewisse andere Parteien.

WOZ: Wladimir Putin will die demokratische Kultur Westeuropas destabilisieren. Die Schweizer Solaroffensive hat er dabei sicher nicht im Blick – könnte man dennoch sagen, dass der Beschluss in seinem Sinn ist?

Alain Griffel: Im Endeffekt ist das tatsächlich eine Destabilisierung. Am anderen Ende dieser Entwicklung stehen Länder wie Russland, in denen das Recht seine machtbegrenzende Funktion völlig verloren hat und Spielball der Machthaber ist. So weit wird es in der Schweiz hoffentlich nie kommen, aber es ist ein Schrittchen in diese Richtung. Eine Verfassung dient in einem Rechtsstaat gerade auch dazu, die Macht der Staatsorgane zu begrenzen. Auch die Macht des Parlaments. Eben weil wir in der Schweiz nur eine sehr beschränkte Verfassungsgerichtsbarkeit haben, haben wir da keine Kontrolle, und das nützt das Parlament seit neustem schamlos aus.

WOZ: Sehen Sie die Gefahr, dass es bei anderen Themen auch wieder geschehen wird?

Alain Griffel: Natürlich! Das ist für mich das staatspolitische Hauptproblem. Ich bin überzeugt, dass da ein Kalkül dahinter ist, dass einige Parlamentarier ganz bewusst Breschen in diese Dämme schlagen, die bisher noch einigermassen hielten, damit man sich in anderen Kontexten auf dieses Präjudiz berufen kann: Schaut, dort hat man das ja auch so gemacht. Keine Vernehmlassung, kein Einbezug der Kantone und der politischen Organisationen, keine Abstützung durch eine bundesrätliche Botschaft, alles im Hauruckverfahren, irgendwie dringlich. Da gibt es dann auch einen Gewöhnungseffekt: Warum sollen wir es in diesem Fall nicht wieder so machen? Geht ja, haben wir ja schon einmal gemacht, und ist ja gar nichts passiert.

WOZ: Es geht nicht mehr nur um Umweltpolitik.

Alain Griffel: Nein, es ist eine eminent staatspolitische Geschichte geworden. WOZ, 6. Oktober 2022, S. 5

Alain Griffel, Professor für Staatsrecht, Uni Zürich


Schweizer und EU-Abgeordnete fordern neue Verhandlungen

Schweizer und EU-Abgeordnete fordern neue Verhandlungen zum Rahmenabkommen – ein Detail lässt aufhorchen.

Ein Treffen zwischen der Europa-Delegation des Schweizer National- und Ständerats und EU-Parlamentariern, das Anfangs Oktober 2022 in Rapperswil-Jona stattgefunden hat, hat sich in gegenseitiger Harmonie aufgelöst. Beide Parteien wollen mit dem bilateralen Dialog vorwärtsmachen. In einer gemeinsamen Erklärung, die im Namen der beiden Delegationspräsidenten, des St. Galler Ständerats Benedikt Würth (Mitte) und des EU-Abgeordneten Andreas Schwab (CDU), verabschiedet wurde, wird festgehalten, dass eine Lösung im Interesse beider Seiten sei.

So freundlich der Ton ist, inhaltlich enthält das Papier wenig Überraschendes. Das mag allerdings auch daran liegen, dass von Schweizer Seite her Befürworter eines Rahmenabkommens teilgenommen haben, die es heute noch bedauern, dass der Bundesrat die Verhandlungen über das institutionelle Abkommen vor zwei Jahren abgebrochen hat.

Das zeigt sich darin, dass die Parlamentarier übereingekommen sind, dort wieder anzusetzen, wo der Bundesrat im Mai 2021 entnervt aufgab: So wird der umstrittene Mechanismus der Streitschlichtung, der dem Europäischen Gerichtshof eine dominierende Rolle einräumt, explizit als «angemessener Kompromiss» bezeichnet. Auch künftige institutionelle Lösungen zwischen der Schweiz und der EU sollten «darauf zurückgreifen», heisst es.

Uneinigkeit herrscht nach wie vor über die beiden Knackpunkte, den Lohnschutz und die Personenfreizügigkeit. Hier sollen die Instrumente, die im Rahmenabkommen zur Sicherung der flankierenden Massnahmen enthalten seien, «Basis jeder Entwicklung» sein. Man solle, finden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, weiter auf die bereits im Rahmenabkommen skizzierten Kompromisse hinarbeiten. Die autonome Durchführung der Arbeitsmarktkontrollen müsse dabei, hält die Schweizer Seite fest, garantiert sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Zum ersten Mal seit dem Ende der offiziellen Verhandlungen führen die beiden Parteien Parallelverhandlungen – und das in der Schweiz. Dabei werden alle kritischen Punkte thematisiert und Differenzen ohne Wertung zur Kenntnis genommen. Am interessantesten ist aber ein Nebensatz. Denn würde, steht im Papier, der Bundesrat ein neues Verhandlungsmandat verabschieden, würde das Brüssel offenbar zum Signal nehmen, der Schweiz wieder Zugang zum aktuellen Horizon-Programm zu gewähren. In der Tonalität unterscheidet sich das Papier stark von der letzten Wortmeldung zum bilateralen Verhältnis. Vor knapp einem Monat sagte Staatssekretärin Livia Leu in einem Interview mit der NZZ, die EU setze im Umgang mit der Schweiz auf «Druckpolitik». Brüssel arbeite mit Verzögerungen und lege generell keine besonders grosse Eile an den Tag. «Auch wenn es nicht alle wahrhaben wollen: Der Bundesrat hat die Forderung der EU, ein klares Bekenntnis abzugeben, längst erfüllt», sagte Leu im Interview. Mit dem neuen Paketansatz habe der Bundesrat sich bereit erklärt, sich institutionell der EU anzunähern. Die EU sei dagegen «sehr prinzipiell unterwegs». Wie lange die Sondierungen noch dauern und ob die beiden Seiten danach in Verhandlungen einsteigen, liess Leu damals offen. NZZ, 12. Oktober 2022, S. 12.

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